Donnerstag, 29. März 2012

"Metaphysischer Nationalsozialismus"

Der Ausdruck „historischer Nationalsozialismus“ setzt voraus, daß es einen überzeitlichen Nationalsozialismus gibt. Es gibt sogar Leute, die von einem „metaphysischen Nationalsozialismus“ sprechen.

Gemeint ist vielleicht das Richtige. Doch von dem Wort „metaphysisch“ müssen wir uns trennen. Außer bei unverbesserlichen Scholastikern (katholischen Theologen) hat es spätestens seit Kant seine Bedeutung verloren. Auch das Wort „idealistisch“ führt in die Irre. Es löst beim Zuhörer die Vorstellung von Ohnmacht aus. Beide Begriffe scheiden uns von jeder modernen Weltanschauung und damit auch vom Nationalsozialismus.
Was heißt dann „überzeitlich“? Das ist vor allem das Religiöse. Neben dem historischen Nationalsozialismus gibt es demnach noch einen „religiösen“ (teilweise auch „esoterischen“) Nationalsozialismus.
Was ist aber das Religiöse? Das Religiöse bezeichnet die obersten Werte, die keine Ableitung mehr brauchen, sozusagen die Axiome. Welche Werte sind das im Nationalsozialismus? Etwa die Verehrung Hitlers? Nein: Hitler betonte selber, daß er keine religiöse Verehrung will.
Die absoluten Werte im Nationalsozialismus sind die biologischen Gesetze. Auch wenn stark zu bezweifeln ist, daß die Nationalsozialisten diese Gesetze immer richtig erkannten, steht doch fest, daß sie sich daran orientieren wollten. Die Geltung von Blut und Boden (Natur) als oberste Richtlinie dürfte unter Gegner und Anhängern unbestritten sein. Eben deshalb wird der Nationalsozialismus letztlich angegriffen.
Wenn also der historische NS die Ereignisse zwischen 1933 und 45 (samt Vorgeschichte) sind, dann ist der „ewige NS“ die Verehrung der Natur als oberste Autorität. Hält man sich daran, kommt man zwar nicht zwangsläufig zu den gleichen Ergebnissen wie die historischen Nationalsozialisten, doch man kommt garantiert zu Ergebnissen, die eine ähnlich entsetzte Reaktion hervorrufen.
Die Argumente, worauf sich die Gutmenschen mit ihrer Empörung dann beziehen, stammen wiederum aus einer metaphysischen Ecke. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel Thilo Sarrazin: er argumentiert gegen den Antisemitismus, daß die Juden biologisch besonders wertvoll und intelligent seien. Er verwendet also die gleichen biologistischen Maßstäbe, aber zieht andere Folgerungen. Ohne allgemeine Empörung kam er trotzdem nicht davon.

Metaphysik aus erster Hand: Aristoteles



Metaphysik aus zweiter Hand: Thomas von Aquin






Für die philosophisch Interessierten versuchen wir kurz, die historische Bedeutung von Metaphysik zu erklären. Erfinder ist der Grieche Aristoteles (um 350 v. Chr.). Er fügte seinen vielen naturwissenschaftlichen Schriften einige Bände über die „jenseitigen“ Dinge an. Da diese Schriften im Regal „nach der Physik“ zu stehen kommen, heißen sie „meta-physisch“.
Seitdem beschäftigt sich jeder Philosoph mit der Frage nach dem, was der Mensch nicht sehen und nicht erkennen kann. Zum Beispiel dem Anfang der Welt, dem Leben nach dem Tod und dem Ding an sich (wie die Dinge wären, wenn wir sie nicht durch unsere Brille sehen würden). Das führte zu ausgedehnten Spekulationen, die alle von der christlichen Kirche vereinnahmt und in ihre Bahnen gelenkt wurden.
Erst Immanuel Kant ging Ende des 18. Jahrhunderts an den Nachweis, daß der menschliche Verstand solche Fragen zwar stellt, aber sie grundsätzlich nicht beantworten kann. Metaphysische Fragen sind nach Kant eine Art Falle, die unser Denken sich selbst stellt. Hat man das einmal begriffen, umgeht man diese Fallen. Man beschäftigt sich nicht mehr mit der „absoluten Wahrheit“, sondern mit dem Geschehen auf dieser Erde.

"Zertrümmerer der Metaphysik": Kant






Friedrich Nietzsche hat diese Ansicht radikal bekräftigt. Er bezeichnet die metaphysischen Spekulationen als „Hinterwelten“. Sein Aufruf lautet dagegen: „Bleibt der Erde treu!“

Postmetaphysiker: Nietzsche

Zuzugeben ist, daß die Deutschen ein metaphysisches Volk sind. Daher versuchte Martin Heidegger, bei seiner Metaphysikbekämpfung die Metaphysik doch irgendwie zu retten. Zumindest eine Zeitlang plagte er sich mit einer neuen Auffassung dieses Begriffes ab. Ergebnis davon ist das Buch „Kant und das Problem der Metaphysik“, worüber er mit dem jüdischstämmigen Starphilosophen Ernst Cassirer und seiner Gemeinde scharf aneinander geriet, sowie der Vortrag „Was ist Metaphysik?“ Beides fällt in jene interessante Phase, wo der Autor von „Sein und Zeit“ sich der nationalsozialistischen Bewegung zuzuwenden begann (Ende der 20er Jahre). So kompliziert Heidegger Stellung zur Metaphysik auch ist, so einfach ist der Grund, weshalb er mit dem Nationalsozialismus schon bald nach 1933 schon wieder Probleme bekam: weil der NS ganz klar auf das moderne naturwissenschaftliche Weltbild setzte, während Heidegger bei aller Kritik der philosophischen Tradition verhaftet blieb oder bleiben wollte.

Religiös, aber nicht metaphysisch

Braucht man überhaupt Philosophie, um den NS zu verstehen? Nein – es sei denn, man wollte ihn aus seinem Gegensatz heraus verstehen. So sagt Ernst Nolte in seinem neuen Buch „Reflexionen“, die „Philosophie von Auschwitz“ sei „der Verlust der Transzendenz“. Und was bedeutet „Transzendenz“? Etwa das gleiche wie „Metaphysik“. Demnach ist der Nationalsozialismust für Nolte das genaue Gegenteil von Metaphysik.

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