Gemeint ist vielleicht das
Richtige. Doch von dem Wort „metaphysisch“ müssen wir uns trennen. Außer bei unverbesserlichen
Scholastikern (katholischen Theologen) hat es spätestens seit Kant seine
Bedeutung verloren. Auch das Wort „idealistisch“ führt in die Irre. Es löst beim
Zuhörer die Vorstellung von Ohnmacht aus. Beide Begriffe scheiden uns von jeder
modernen Weltanschauung und damit auch vom Nationalsozialismus.
Was heißt dann „überzeitlich“? Das
ist vor allem das Religiöse. Neben dem historischen Nationalsozialismus gibt es
demnach noch einen „religiösen“ (teilweise auch „esoterischen“) Nationalsozialismus.
Was ist aber das Religiöse? Das
Religiöse bezeichnet die obersten Werte, die keine Ableitung mehr brauchen,
sozusagen die Axiome. Welche Werte sind das im Nationalsozialismus? Etwa die
Verehrung Hitlers? Nein: Hitler betonte selber, daß er keine religiöse
Verehrung will.
Die absoluten Werte im
Nationalsozialismus sind die biologischen Gesetze. Auch wenn stark zu
bezweifeln ist, daß die Nationalsozialisten diese Gesetze immer richtig
erkannten, steht doch fest, daß sie sich daran orientieren wollten. Die Geltung
von Blut und Boden (Natur) als oberste Richtlinie dürfte unter Gegner und Anhängern
unbestritten sein. Eben deshalb wird der Nationalsozialismus letztlich
angegriffen.
Wenn also der historische NS die
Ereignisse zwischen 1933 und 45 (samt Vorgeschichte) sind, dann ist der „ewige
NS“ die Verehrung der Natur als oberste Autorität. Hält man sich daran, kommt
man zwar nicht zwangsläufig zu den gleichen Ergebnissen wie die historischen
Nationalsozialisten, doch man kommt garantiert zu Ergebnissen, die eine ähnlich
entsetzte Reaktion hervorrufen.
Die Argumente, worauf sich die
Gutmenschen mit ihrer Empörung dann beziehen, stammen wiederum aus einer
metaphysischen Ecke. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel Thilo Sarrazin:
er argumentiert gegen den Antisemitismus, daß die Juden biologisch besonders
wertvoll und intelligent seien. Er verwendet also die gleichen biologistischen
Maßstäbe, aber zieht andere Folgerungen. Ohne allgemeine Empörung kam er
trotzdem nicht davon.
Metaphysik aus erster Hand: Aristoteles |
Metaphysik aus zweiter Hand: Thomas von Aquin |
Für die philosophisch
Interessierten versuchen wir kurz, die historische Bedeutung von Metaphysik zu
erklären. Erfinder ist der Grieche Aristoteles (um 350 v. Chr.). Er fügte
seinen vielen naturwissenschaftlichen Schriften einige Bände über die
„jenseitigen“ Dinge an. Da diese Schriften im Regal „nach der Physik“ zu stehen
kommen, heißen sie „meta-physisch“.
Seitdem beschäftigt sich jeder
Philosoph mit der Frage nach dem, was der Mensch nicht sehen und nicht erkennen
kann. Zum Beispiel dem Anfang der Welt, dem Leben nach dem Tod und dem Ding an
sich (wie die Dinge wären, wenn wir sie nicht durch unsere Brille sehen
würden). Das führte zu ausgedehnten Spekulationen, die alle von der
christlichen Kirche vereinnahmt und in ihre Bahnen gelenkt wurden.
Erst Immanuel Kant ging Ende des
18. Jahrhunderts an den Nachweis, daß der menschliche Verstand solche Fragen
zwar stellt, aber sie grundsätzlich nicht beantworten kann. Metaphysische
Fragen sind nach Kant eine Art Falle, die unser Denken sich selbst stellt. Hat
man das einmal begriffen, umgeht man diese Fallen. Man beschäftigt sich nicht
mehr mit der „absoluten Wahrheit“, sondern mit dem Geschehen auf dieser Erde.
"Zertrümmerer der Metaphysik": Kant |
Friedrich Nietzsche hat diese
Ansicht radikal bekräftigt. Er bezeichnet die metaphysischen Spekulationen als
„Hinterwelten“. Sein Aufruf lautet dagegen: „Bleibt der Erde treu!“
Postmetaphysiker: Nietzsche |
Zuzugeben ist, daß die Deutschen
ein metaphysisches Volk sind. Daher versuchte Martin Heidegger, bei seiner
Metaphysikbekämpfung die Metaphysik doch irgendwie zu retten. Zumindest eine
Zeitlang plagte er sich mit einer neuen Auffassung dieses Begriffes ab. Ergebnis
davon ist das Buch „Kant und das Problem der Metaphysik“, worüber er mit dem
jüdischstämmigen Starphilosophen Ernst Cassirer und seiner Gemeinde scharf
aneinander geriet, sowie der Vortrag „Was ist Metaphysik?“ Beides fällt in jene
interessante Phase, wo der Autor von „Sein und Zeit“ sich der
nationalsozialistischen Bewegung zuzuwenden begann (Ende der 20er Jahre). So
kompliziert Heidegger Stellung zur Metaphysik auch ist, so einfach ist der
Grund, weshalb er mit dem Nationalsozialismus schon bald nach 1933 schon wieder
Probleme bekam: weil der NS ganz klar auf das moderne naturwissenschaftliche
Weltbild setzte, während Heidegger bei aller Kritik der philosophischen
Tradition verhaftet blieb oder bleiben wollte.
Religiös, aber nicht metaphysisch |
Braucht man überhaupt Philosophie,
um den NS zu verstehen? Nein – es sei denn, man wollte ihn aus seinem Gegensatz
heraus verstehen. So sagt Ernst Nolte in seinem neuen Buch „Reflexionen“, die
„Philosophie von Auschwitz“ sei „der Verlust der Transzendenz“. Und was bedeutet
„Transzendenz“? Etwa das gleiche wie „Metaphysik“. Demnach ist der Nationalsozialismust für Nolte
das genaue Gegenteil von Metaphysik.
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