Freitag, 23. März 2012

"Und das Schwein fuhr einen Mercedes!"

Im Jahr 1977 kam jemand auf die glorreiche Idee, eine Umfrage unter Schülern in der Bundesrepublik zu veranstalten mit dem Thema „Was ich über Adolf Hitler gehört habe“. Das Ergebnis war niederschmetternd. Manche hielten Hitler für den ersten Menschen auf dem Mond, andere verorteten ihn auf der Titanic oder gar an der Wall Street. Antworten, die der Wahrheit noch am nächsten kamen, lauteten: „Er hat die Mauer zwischen DDR und BRD bauen lassen.“ (Berufsschülerin Annette, 17) oder: „Sein Buch war eine Pleite.(Hauptschülerin Gabi, 16). Es ist nur zu begreiflich, daß nach diesem Einblick in die zarten Seelen die Lehrpläne unverzüglich geändert wurden dahingehend, daß das Hauptgewicht des gesamten Geschichtsunterrichts auf den 12 Jahren liegen sollte. Hinzu kamen die einsetzenden zahlreichen Fernsehdokumentation, so daß heute jeder deutsche Junge und jedes deutsche Mädchen mehr über Hitler weiß, als es im Dritten Reich der Fall war.

Wie hatte es aber zu der katastrophalen Unkenntnis kommen können? Wer selber aus dieser Generation stammt, wird sich noch erinnern: Man begann damals in Klasse 5 mit der Steinzeit und arbeitete sich chronologisch vor, so daß Klasse 7 und 8 gerade erst bei Aufklärung und Merkantilismus angelangt waren. Was sollte man da über den Nationalsozialismus wissen? Zumal noch die Haltung verbreitet war, je weniger man von dieser Zeit höre, desto besser sei man gegen jedwede Sympathie gefeit. Ein Standpunkt, der nicht ganz abwegig ist. Ähnlich funktionierte in früheren Zeiten die Sexualerziehung: Was man nicht kennt, wird man auch nicht praktizieren. Wir hatten sogar eine Klassenkameradin, die sich grundsätzlich weigerte, den Namen „Hitler“ auszusprechen. Sonst könnte er sich womöglich angesprochen fühlen und plötzlich wieder auftauchen. Aus dem gleichen Grunde wurde der Teufel von besonders Frommen als „Leibhaftiger“ oder „Gottseibeiuns“ bezeichnet.

Einer der befragten Schüler, der 12-jährige Detlev aus Mannheim, fällt insofern aus dem Rahmen, als er ein echt kämpferisches antifaschistisches Bewußtsein an den Tag legt. Nach einigen sachlichen Informationen zum Thema Hitler schließt er seinen Aufsatz mit den Worten: „Und das Schwein fuhr einen Mercedes!

Mercedes aus den 30er Jahren
Damit hat Detlev den Nagel auf den Kopf getroffen: Was immer Hitler für ideologische Vorstellungen gehabt haben mag, und in welche politischen Aktionen er verwickelt war, letzten Endes unterscheidet sich dieser Mann nicht von jedem anderen Bonzen, ob in der DDR oder der Bundesrepublik. Ob Strauß, Mao oder Breschnew, Nixon, Mitterand oder Honecker – sie alle und ihre Staatssekretäre und Stellvertreter fahren in dicken Autos umher und führen ein angenehmes Leben, während der „kleine Mann“ grundsätzlich zu kurz kommt. Das wahre Verbrechen der Politiker sind nicht Kriege, Konzentrationslager, Mauerschützen oder Atomkraftwerke, sondern die ständige Bereicherung auf Kosten der Bürger, der Wähler, der Masse, des Volkes - der Armen.
Diese Perspektive des kleinen Moritz ist unausrottbar. Es gab sie im alten Rom, in der französischen Revolution, in der „Bild“-Zeitung, und es wird sie immer geben. Aus dem Jahr 1930 stammt ein Flugblatt der Berliner SA, in dem es empört heißt: „Wir proletarischen Elemente der Bewegung sind ja soo zufrieden! Wir schieben so gern Kohldampf, damit es unseren lieben Führern mit ihren zwei- bis fünftausend Mark Monatseinkommen recht wohl ergehe. Hocherfreut waren wir auch, als wir hörten, daß sich unser Adolf Hitler auf der Automobilausstellung einen neuen großen Mercedeswagen für Rm 40 000 gekauft hat.“

Wer das weiß, weiß schon eine ganze Menge: Die Nazis sind auch keine Engel, sondern Schweine wie wir alle. Das hat doch etwas Beruhigendes.

Das Schwein in seinen geliebten Bergen

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