„Wer heute seinem Volk nützen
will“, sagte Silvia Stolz sinngemäß, „wird als Nazi bezeichnet. Und der Begriff
Nazi ist besetzt mit dem größten vorstellbaren Verbrechen. Auf diese Weise soll
der Volkstreue außer Gefecht gesetzt werden.“
Weiter sprach Frau Stolz darüber,
was man gegen diese Strategie tun könne. Ihr Vorschlag: die Bezeichnung Nazi
akzeptieren und den Holocaust bestreiten.Nett und sympathisch: Silvia Stolz |
Das nützt aber genauso wenig wie
die umgekehrte, von der NPD empfohlene Vorgehensweise, den Nazi-Vorwurf
vehement zu bestreiten und die offizielle Holocaust-Version zu akzeptieren
(siehe Holger Apfel neulich im „Spiegel“).
Beides nützt nichts, weil der
eigentliche Vorwurf ein ganz anderer ist. Nationalsozialismus und Holocaust
werden nur ins Feld geführt, weil es die schnellste und bequemste Art ist,
nationale Forderungen zurückzuweisen. In Wirklichkeit geht es nicht gegen
„Nazis“, sondern gegen die nationale Haltung als solche. „Wer seinem Volk
nützen will“ ist an sich schon – ohne daß er mit Nationalsozialismus und
Holocaust irgendetwas zu tun hat – aus der Politik ausgegrenzt. Eine nationale
Position läßt sich nicht durchsetzen und wird sich nicht durchsetzen lassen.
Warum das so ist, wissen nicht nur
die Nationalen nicht, sondern auch die anderen können es meist nicht gut
begründen. Sie haben einfach das Gefühl, daß der Nationalismus irgendwie böse
und inhuman ist, und greifen daher auf die Nazi-Keule zurück.
Es gibt aber ganz andere,
stichhaltige Gründe dafür, daß der Nationalismus des 18. und 19. Jahrhunderts
für die Zukunft nichts taugt. Diese Gründe sind allerdings nicht so plakativ.
Sie verlangen eine kühle Reflexion.
Es gibt heute eine Technik, die in
sich global ist und die Welt ständig kleiner macht. Mit dem Flugzeug ist man in
wenigen Stunden an jedem beliebigen Ort. Mit dem Internet in einer Minute. Wenn
in Rußland ein Atomkraftwerk explodiert, sind in Bayern die Pilze vergiftet. Es
ist billiger, Früchte und Blumen über tausend Kilometer zu transportieren, als
sie um die Ecke anzubauen. Die Kleidung, die wir tragen, wäre unbezahlbar, wenn
sie nicht aus Indien oder China stammte. Das gleiche gilt für Computer und
Kaffemaschinen.
Es ist also, schlicht gesagt,
Schwachsinn, zum alten Nationalstaat zurückkehren zu wollen. Und diesen Unsinn
kauft das Volk nicht ab. Deshalb haben die nationalen Parteien keine Chance.
Nationalismus hat höchstens dort eine vorübergehende Chance, wo es darauf
hinausläuft, als schwaches Land mehr von den stärkeren, vor allem von
Deutschland, abzuschöpfen. Bei den Deutschen selber funktioniert dieses Vorhaben
natürlich nicht. Weil wir stark sind, brauchen wir umgekehrt die schwächeren
Länder als Abnehmer unserer Produkte. Deshalb wählen die Deutschen nicht
rechts. Das Volk ist zwar einfältig, aber nicht schwachsinnig. Es weiß, wo
seine Arbeitsplätze und Produkte herkommen.
Der nationale Gartenzwerg |
Der besondere Witz besteht nun
darin, daß gerade die Nationalsozialisten gar keinen Nationalismus im
traditionellen Sinne mehr vertreten haben. Deshalb haben sie sich schon damals gegen
andere nationale Gruppierungen durchsetzen können. Es ging um Großraumordnung (die
Vorstufe zur „Weltordnung“), um das Reich und um die Rasse. Alles Prinzipien,
die sich auf die moderne technisch-wirtschaftliche Entwicklung beziehen lassen.
Daß die Bemühungen um „Autarkie“ als Kriegsvorbereitung dienten, wird nur
jemand abstreiten, der Hitler für einen „Rhetor und einen Biedermann“ hält. Das
Zitat stammt von Ernst Nolte. Es bezieht sich allerdings nicht auf den Krieg,
sondern auf den Holocaust. Der Historiker räumt ein, daß es etliche ungeklärte
Fragen zu diesem Thema gibt, für ihn jedoch überwiegen die Argumente, die für
eine zielgerichtete Massentötung sprechen. Eines dieser Pro-Argumente besteht
für Nolte in der „extremen Unwahrscheinlichkeit, daß Hitler lediglich ein
Rhetor und ein Biedermann war“ (E.N., Späte Reflexionen, Wien/Leipzig 2011, S.
84).
Immer älter, immer klüger: Ernst Nolte |
Jemand, der Hitler trotz der
„extremen Unwahrscheinlichkeit“ für einen Biedermann hält, ist Silvia Stolz.
Sie glaubt, daß die Juden unser Unglück sind, aber sie glaubt nicht, daß die
Nazis ernst gemacht haben. Sie glaubt auch, das kam gegen Ende des Vortrags zur
Sprache, daß die Deutschen „nicht nur an sich selbst denken“. Sie denken mit
Vorliebe an „das Ganze“. Hegel nennt es „Geist“. Trotzdem glaubt sie an die
nationale Gartenlaube, wo wir unsere Kartoffeln selbst anbauen und die Pullover
aus Schafwolle stricken. Man könnte meinen, daß es sich hier um eine typisch
weibliche Rückzugshaltung und Sentimentalität handelt. Doch das hat nicht mit
dem Geschlecht zu tun, sondern mit der Ghettoisierung. Wer immer klein gehalten
wird, neigt auch zum kleinen Denken.
Es wäre tatsächlich erfolgversprechender,
an den Nationalsozialismus anzuknüpfen als an einen veralteten Nationalismus.
Dann müßte man allerdings den Nationalsozialismus von nostalgisch-biedermännischen
Vorstellungen freimachen. Und das erste wäre das offene Eingeständnis der
Verbrechen.
Der deutsche Geist |