Montag, 11. Juni 2012

Noltes letztes Wort


Seit seinem Artikel vom 6. Juni 1986 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist Ernst Nolte gezwungen, sich in nationalen Kreisen zu bewegen. Der „Historikerstreit“ hatte begonnen, und die Etablierten fingen an, den Professor und Autor von „Der Faschismus in seiner Epoche“ auszugrenzen. Das ist inzwischen nicht besser geworden, denn Nolte trat mit den Jahren keineswegs zurückhaltender und angepaßter auf. Den Höhe- und Schlußpunkt dieser Entwicklung bildet sein Buch „Späte Reflexionen“ (2012). In den gewagten Aphorismus wird sogar nach der „Philosophie von Auschwitz“ gefragt. Nolte findet sie im „Widerstand gegen die Transzendenz“. Wenn man weiß, daß unter „Transzendenz“ der Jenseitsglaube und das daraus hervorgehende moderne Fortschrittsdenken zu verstehen ist, kann einem bei dieser Definition schon Angst und Bange werden. Denn die Kritik am Fortschritt und dessen katastrophalen Folgen gehört inzwischen zum Allgemeingut. Wenn die „Philosophie von Auschwitz“ also der Widerstand gegen den sogenannten Fortschritt sein soll, müßten heute den Tätern und nicht den Opfern Denkmäler gebaut werden.
Ernst Nolte


Nolte ist inzwischen 89 Jahre alt. Ihm kann nichts mehr passieren. Sein nationales Publikum ist da weit weniger mutig. Immerhin: die Zeitschrift „hier & jetzt“ tut, was sonst kaum keiner wagt. Sie bringt eine ausführliche Besprechung der „Späten Reflexionen“, die auch den Historikerstreit noch einmal aufgreift. Man merkt allerdings, daß es den meisten nationalen Lesern nie klar geworden ist, was Nolte eigentlich thematisiert. So behauptet der Rezensent Arne Schimmer (NPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag), daß man den „Historikerstreit hätte vermeiden können“, wenn man anerkannt hätte, daß es in Deutschland zwei Gruppen von Historikern gibt, die mit einer „konventionellen nationalen Identität“ und andere, die sich einem „postnationalen Kosmopolitismus“ verpflichtet sehen. Was soll das heißen? Ist Ernst Nolte etwa ein Historiker mit einer „konventionellen nationalen Identität“? Und besteht darin sein Hauptinteresse?
Gerade Nolte hat doch den Begriff des „europäischen Bürgerkriegs“ für die Zeit nach 1917/18 eingeführt und damit festgestellt, daß spätestens von diesem Zeitpunkt an nicht mehr die nationalen, sondern die ideologischen Gegensätze entscheidend sind. Inzwischen sind fast 100 Jahre vergangen und aus dem „europäischen Bürgerkrieg“ ist ein „Weltbürgerkrieg“ geworden, in dem der Islamismus als „dritte radikale Widerstandsbewegung“ aufgetreten ist. Davon handelt Noltes vorletztes Buch.
Ein intaktes oder weniger intaktes Nationalbewußtsein spielt heute kaum noch eine Rolle. Denn selbständig handeln können die Nationalstaaten sowieso nicht mehr. Ob also die Bundesrepublik Deutschland weiterhin an Auschwitz knabbert oder sich von diesem Trauma freigemacht hat, interessiert nur noch die „Holocaust-Industrie“, aber nicht die Weltpolitik. Nur wer die Bundesrepublik maßlos überschätzt, kann glauben, daß dieses Thema immer wieder aufgebracht werde, um „Deutschland niederzuhalten“. Deutschland hat seit 1945 sowieso politisch nichts mehr zu melden. Es ist nur noch ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort.
Die Vorstellung, die Arne Schimmer vorbringt, daß man mit einem intakten, vom Auschwitz-Trauma befreiten Nationalbewußtsein den Staat zusammenhalten könne über „Wohlfahrt und Sozialtransfer hinaus“, ist eine komplette Illusion. Was man schon daran sieht, daß andere Staaten ohne Auschwitz-Trauma genauso an ihren wirtschaftlichen Problemen zerbrechen.
Wenn man Nolte nicht nur benutzen würde, um die eigene nationale Identität zu pflegen, könnte man sich bei ihm über die Grundproblematik moderner Gesellschaften informieren: Das versprochene Paradies auf Erden blieb aus. Der Versuch, es in Rußland zu errichten, schlug fehl und führte in den Terror (Gulag). Diese furchtbare Enttäuschung, so meint Nolte, ist die unverzichtbare Voraussetzung, um den nationalsozialistischen Terror zu verstehen. Der „Rückfall in die Barbarei“, die man dem Nationalsozialismus vorwirft, findet bereits in dem Augenblick statt, als die Wohltäter der Menschheit – die Marxisten als Erben des Christentums und des Humanismus – gezwungen sind, zur Gewalt zu greifen, damit ihre Herrschaft nicht zusammenbricht. Damit gelangt die Geschichte an einen Wendepunkt, dem dann die Nationalsozialisten Rechnung tragen.
Nolte hat also keineswegs bestritten, daß der Holocaust ein einzigartiges, dauerhaft wirksames Ereignis ist – nur muß man ihn im Kontext der europäischen Geschichte sehen. Einzigartig und bleibend ist das gesamte Ereignis, nämlich die historische Wende – eine brutale Version von Heideggers „Kehre“ – weg vom modernen Fortschrittsmodell.
Einen nationalen Politiker interessiert das weniger. Er muß – als nationaler Politiker – so tun, als könne die einzelne Nation per Wahlentscheidung ihre Zukunft in sichere Bahnen lenken. Das kann sie nicht, und das Volk scheint es instinktiv zu wissen. Es macht sich erst gar nicht die Mühe, eine nationale Partei anzukreuzen.
Der Blinde führt die Blinden
 (Walter Heckmann 1991) 

Samstag, 9. Juni 2012

Deutsche Kinder

In der Reihe „Zeitungszeugen“ erscheinen regelmäßig Nachdrucke aus deutschen Zeitungen der Jahre 1933 bis 45. Die Blätter sind jeweils unter einem Thema zusammengestellt und von einem historischen Kommentar umgeben. Anfangs gab es dazu Nachdrucke nationalsozialistischer Plakate in Hochglanz, doch das ist wohl inzwischen zu teuer oder zu gefährlich geworden.

Trotzdem sind die „Zeitungszeugen“ sehr lesenswert. Immer wieder stößt man auf Aussagen, die vom gängigen NS-Klischee befremdlich abweichen, aber den Vorteil haben, authentisch zu sein.
Wer hätte zum Beispiel gedacht, daß im NS-Staat eine „beispiellose Geburtenverhinderung“ stattfand? Heute hört man immer nur von dem Bestreben, von jeder deutschen Frau mindestens vier Kinder zu gewinnen, und von der Erfindung der „Mutterkreuze“. Das paßt schlecht zu den 400 000 Sterilisationen, die auf staatlichen Druck zwischen 34 und 45 vorgenommen wurden. Und das sollte erst der Anfang sein.
„So wie die Dinge liegen, ist nur noch eine Minderheit von Volksgenossen so beschaffen, daß ihre unbeschränkte Fortpflanzung wertvoll für die Rasse ist“,
so erklärte Fritz Lenz, Professor für Erblehre in Berlin 1934.
Fritz Lenz (1887- 1976)


Nur eine Minderheit sollte sich fortpflanzen, und zwar die genetisch Wertvollen. Die nach ihrem Sozialverhalten sowie dem äußeren Erscheinungsbild als wertlos beurteilten „Volksgenossen“, sollten hingegen unfruchtbar gemacht werden – notfalls durch Zwang. Zwar gelangte diese Auffassung nur ansatzweise zur Durchführung, doch entspricht sie der NS-Ideologie deutlich besser als die wahllose Förderung von Geburten nach dem einzigen Kriterium der deutschen Abstammung.
Die Beweislast in der Bevölkerungspolitik wird damit umgekehrt. Nicht wer keine Kinder hat, muß sich dafür vor dem Volk rechtfertigen, sondern wer es wagt, Kinder zu produzieren, muß sich nach seiner eigenen Beschaffenheit und seinen Verdiensten fragen lassen. Zunächst klingt das, als ob der – damals schon zurückgehende – Kinderwunsch durch eine solche Voraussetzung noch mehr schwinden würde. Doch das Gegenteil könnte auf die Dauer der Fall sein. Wenn Kinder nur einer Minderheit – also einer Elite – erlaubt sind, werden sie zum höchsten Statussymbol, anstatt wie jetzt das Kennzeichen asozialer Verhältnisse zu sein.
Kinder sind kein Spaß, sondern Ernst
Auf dem Sender Phoenix war neulich eine Dokumentation über einen amerikanischen Staatsbürger zu sehen, der sich die Freiheit nimmt, eine private „Menschenzucht“ zu betreiben. Er erfüllt ausgesuchten Frauen ihren Kinderwunsch, indem er sie mit dem Samen hochqualifizierter Männer befruchtet. Er schreibt diese Männer, deren Namen er Wissenschaftsmagazinen und Firmenpublikationen entnimmt, gezielt an und bittet sie um ihre „Spende“. Bei den meisten stößt die Anfrage auf sofortige Zustimmung. Die Alpha-Männchen fühlen sich geschmeichelt, wenn sie für die Fortpflanzung gezielt ausgesucht werden. Auch Frauen finden sich für dieses Experiment offenbar genügend. Es ist einfach spannender, ein Kind zu bekommen, wenn damit eine besondere Mission verbunden ist. Die „Produkte“, die in der Sendung vorgestellt wurden, sind inzwischen im Teenager-Alter. Die meisten davon beginnen bereits, die in sie gesetzten Hoffnungen zu bestätigen.
Bedenklich ist bei solchen Ansätzen nur, daß das Auslese-Kriterium reichlich eindimensional ausfällt. Gezüchtet wird für den Arbeitsmarkt von heute und morgen, der mit Sicherheit mehr Hochbegabte fordert. Doch was ist mit den Fähigkeiten, die auch übermorgen noch tragfähig sind oder gar eine Perspektive in die Zukunft schaffen? Die Frage nach der „Rasse“, und was sie ausmacht, dürfte sich erst noch stellen.

Freitag, 8. Juni 2012

Blondi (Thomas Bernhard)


Die sogenannte Tierliebe hat schon so viel Unheil angerichtet, daß wir, wenn wir tatsächlich mit der größtmöglichen Intensität daran denken würden, augenblicklich ausgelöscht werden müßten vor Erschrecken. Es ist nicht so absurd, wie es zunächst erscheint, wenn ich sage, die Welt verdankt ihre fürchterlichsten Kriege der sogenannten Tierliebe ihrer Beherrscher. Das ist alles dokumentiert, und man sollte sich diese Tatsache einmal klarmachen. Diese Leute, Politiker, Diktatoren, sind von einem Hund beherrscht und stürzen dadurch Millionen Menschen ins Unglück und ins Verderben, sie lieben einen Hund und zetteln einen Weltkrieg an, in welchem Millionen getötet werden wegen dieses einen Hundes.“ (Thomas Bernhard, Beton, Ffm. 2006, S. 49)

Blondi, fotografiert von Walter Frentz


Und hier noch einige Informationen zu Thomas Bernhard, einem der wichtigsten deutschen Nachkriegsautoren, dem wir die obigen Einsichten zum Wesen der Tierliebe verdanken:

Der größte deutsche Haßprediger nach Hitler heißt Thomas Bernhard. Auch er stammt aus Österreich und hat einen manierierten, monotonen, schwer erträglichen Sprachstil entwickelt, der süchtig macht. Der Unterschied: Bernhard redet nicht, er schreibt. Gelernt hat er nichts, erhebt sich aber mit Leichtigkeit über alle kulturellen Gepflogenheiten. Sein Haßobjekt ist der Nationalsozialismus und alles, was damit zusammenhängt.
Alles kann bei Thomas Bernhard das Attribut „nationalsozialistisch“ erhalten, wenn es nur furchtbar genug ist: die Kirche natürlich, das Dorf, das Denken, das Gesicht eines Wirtes, das Theater, die Landschaft, das ganze Österreich. Daß dem Dichter speziell das Salzburger Land „nationalsozialistisch“ vorkommt, ist vielleicht kein Wunder, denn Adolf Hitler stammt praktisch aus der gleichen Gegend und den gleichen deprimierenden Verhältnissen. In seinem Reptilienhirn muß es ähnlich ausgesehenen haben. Der Unterschied: Bernhard hat sich weit über dieses Stadium erhoben. Er lehnt alles Heimatliche entschieden ab. – Die Frage ist dann allerdings: Warum entfernt sich der gefeierte und gut verdienende Autor nicht aus dem „nationalsozialistischen“ Österreich, um zum Beispiel in New York oder wenigstens in Paris zu leben? Nicht einmal den Versuch dazu hat er unternommen, sondern sich ausgerechnet im Salzburger Land einen Hof gekauft, um dort im Trachtenzeug umherzulaufen. Spontan fällt einem der Berghof ein. Höchstens in Wien ist Bernhardt anzutreffen, wo er in Caféhäusern sitzt, Zeitung liest und an seinen Haßtiraden feilt.
Bernhard in seinem verhaßten Wien


Wien ist Bernhard aus genau entgegengesetzten Gründen verhaßt, wie es Hitler verhaßt war. Nämlich weil es nicht großstädtisch und nicht kosmopolitisch genug ist. Immer wieder führt der Dichter die Vorteile „echter Weltstädte“ gegen der „schmutzigen“ und „durch und durch nationalsozialistischen“ Provinzialität von Wien an. Sitzt aber selbst immer nur in Wien im Caféhaus und nie zum Beispiel in Rio in einer Bar, obwohl er das könnte. Obwohl schon jeder zweite deutsche Rentner das tut.
Wer die „Romane“ gelesen hat, es sind Haßreden in einer oberflächlich literarisierten Form, der kann sich über den Grund nicht täuschen: Bernhard kann nur über seine Heimat schimpfen, weil er nur die Heimat liebt. Einzig zu ihr hat er eine Beziehung. Nur hier empfindet er überhaupt etwas. Nur hier hat er den richtigen Instinkt. Nur hier kann er schreiben. Und schreiben bedeutet für Bernhard leben, wie für Hitler leben kämpfen bedeutet hatte.
Wenn man es nicht aus Geheimnis aus seinen Texten herauslesen könnte, so gäbe es für Bernhards Heimatliebe auch einen offenkundigen Beweis: sein Frühwerk. Thomas Bernhard hat als positiver Heimatdichter angefangen, der sich gegen die Moderne wandte. Das kann er nicht leugnen, denn die Texte hat er an Verlage geschickt. Sie wurden fast alle abgelehnt. Und in Erfolglosigkeit – wie sein schriftstellernder Großvater – wollte der Jungautor auf keinen Fall enden. Er gierte nach Erfolg, was man von vielen Künstlern sagen kann. Auch vom jungen Hitler. Der Unterschied: Dieser hatte Erfolg, indem er seine innersten Obsessionen herausschrie. Sein Landsmann hatte damit keinen Erfolg. Seine Heimatliebe war nicht gefragt im Nachkriegs-Literaturbetrieb. Das Gegenteil was gefragt. Und so ist Thomas Bernhard auf sein Konzept gekommen.
Es ginge nicht, wenn das, was er sagt, glatt gelogen wäre. Er hat recht damit, daß das angeblich Echte und Alte in den meisten Fällen längst zur Ware geworden ist. Er spielt das Motiv von Adorno, daß es „nichts Wahres im Falschen“ gäbe, in allen Finessen durch. Wo nur der Anhauch einer Vermarktung zu finden ist, verwirft Bernhard mit Lust das gesamte Unternehmen. So muß die Hochkultur mit Mozart und Salzburger Festspielen zu einer abstoßenden Farce werden. Doch so leidenschaftlich könnte der Autor nicht über ein Popkonzert wüten, obwohl hier der Kommerz viel deutlicher ist. In seinem Furor kommt die Bewunderung für das zum Ausdruck, was Natur und Kultur an Spuren hinterlassen haben. Er kennt und erkennt noch das Echte und kann daher gegen das Falsche aufbegehren. Doch das „Echte“, was Bernhard zum Maßstab seines zerstörerischen Urteils macht, ist immer die Heimat.
Die innere idealisierte Heimat bildet das vernichtende Kriterium, das der Dichter an das wirkliche Wien, das wirkliche Österreich, das wirkliche Landleben anlegt. Eine Gegenwelt aber hat er nicht. Immer wieder versucht er, sich mit der Moderne zu identifizieren. Zwei Gestalten bilden dabei die tragende Rolle: der Philosoph Ludwig Wittgenstein und der Pianist Glenn Gould. Beinahe werden von Bernhard in einer beinahe sakralen Weise gewürdigt. Beide sind jüdischer Herkunft und stehen für eine unheimliche Hyperintellektualität. Bernhards Zugang zu diesen selbstgewählten Helden bleibt in skurriler Weise äußerlich. Während die Typen seiner Umgebung plastisch und eindringlich beschrieben werden, erscheinen Wittgenstein und Gould wie riesige Schatten, deren Gesichter der Dichter nie erkennt. Sie sind die „Giganten“ – doch der Inhalt von Wittgensteins Philosophie wird ebenso wenig zum Thema wie die Bach-Interpretation von Glenn Gould. Es ist klar, daß sich der Dichter hier zwei Götzen erschafft, um eine Alternative zur Heimat zu konstruieren, was aber nicht einmal im Ansatz gelingt.
„Auslöschung“ heißt der vielleicht beste Roman. Das Wort „Auslöschen“ überbietet an Radikalität noch die „Vernichtung“ und stammt zweifellos aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“. Wie überhaupt das Prinzip der „Übertreibung“, das als Hauptstilmittel Bernhard gilt, auch für das nationalsozialistische Vokabular kennzeichnend ist. Ausgelöscht werden soll aber nicht der Feind, sondern umgekehrt das Eigene – wobei es vielleicht zum letzten Mal als solches kenntlich wird. Auf Schritt und Tritt merkt man, daß Bernhard mit seinem Heimathaß einer schleichenden Heimatvernichtung nur zuvor kommt, die er sowieso nicht mehr verhindern kann: „Die Regierung betreibt eine ungeheure Vernichtungsmaschine“, schreibt er, „in welcher alles vernichtet wird, was mir lieb ist.“ Oder: „Die Auslöscher und die Umbringer bringen die Städte um und löschen sie aus und bringen die Landschaft um und löschen sie aus.“ Oder auch: „Immer und immer wieder sage ich mir, wir lieben dieses Land, aber wir hassen diesen Staat.“ Gleich darauf kommt wieder die Distanzierung von den „Blutsordenträgern, den SS-Obersturmbannführern an ihren Krücken, den nationalsozialistischen Helden“, obwohl doch diese „Helden“ ihren Haß – Bernhards Haß – auf den „Staat“, der „die Städte und die Landschaft vernichtet und auslöschet“ mit ihrer Vernichtung und Auslöschung vergolten hatten oder es zumindest versuchten. Diese Gemeinsamkeit aber kann Bernhard nicht sehen oder darf er nicht sehen, wenn er denn nach 1945 Erfolg haben will.

Freitag, 1. Juni 2012

Nachricht 7

Der neue Bundespräsident hat überraschend bewiesen, daß sein Amt doch nicht ganz überflüssig ist. In einem Interview mit der „Zeit“ hat sich Gauck anläßlich eines Antrittsbesuchs in Israel von seinem Vorgänger Christian Wulff distanziert. Im Unterschied zu Wulff ist Gauck nicht der Meinung, daß der Islam zu Europa gehört. Jedenfalls nicht eindeutig. Für Gauck bleibt ein Zweifel, deshalb hätte er die Formulierung seines Vorgängers nicht gewählt.

Wer sich über die Wahl Gaucks freute und von ihm – als Berufsantikommunisten – einen gewissen konservativen Impuls erwartete, kann sich bestätigt fühlen. Der neue Bundespräsident bezieht nicht nur Stellung, er bezieht sogar Stellung gegen Multikulti Stellung. Zumindest im Ansatz. Schon werfen führende Muslime ihm „mangelnde Geschichtskenntnis“ vor und verweisen auf die früheren islamischen Einflüsse in Europa. Solche Bereicherungen gibt es zwar (gern genannt wird Goethes „West-östlicher Diwan“), aber es ist wohl keine Frage, daß Europa und auch Goethe gut ohne den Islam fertig geworden wären. Die Grundlagen der europäischen Kultur sind die alten Griechen und das Christentum. Die Araber nicht.

Genau darin besteht heute die Stärke des Islam, daß dessen Kultur relativ wenig mit der europäischen verbunden ist. Darauf beruht der Stolz der Muslime, daß sie dem europäischen Liberalismus und Atheismus eine theokratische Tradition entgegensetzen können. Nur als Antithese zum westlichen (also europäischen) Modell ist der Islam heute wieder attraktiv. Die Muslime dürften sich also nicht gegen Gauck wenden, sondern hätten sich gegen Wulff wenden müssen, der behauptete, zwischen dem dekadenten Europa und der arabischen Welt bestehe kein wesentlicher Unterschied.

Da die Moslemvertreter nicht dumm sind, kann der Grund ihrer Verärgerung nur taktisch sein. Nicht aus inhaltlichen Gründen protestieren sie, sondern um die offenen Worte des deutschen Staatsoberhauptes politisch für sich auszubeuten. Aha, der Bundespräsident bezeichnet den Islam als fremd (was eigentlich gerade seine Stärke ist), also muß Deutschland mehr für die Integration tun, sprich mehr Geld für Moslems ausgeben.

Die entscheidende Frage lautet deshalb: Was will Gauck mit seiner Äußerung bewirken, daß der Islam nicht zu Europa gehört (was sachlich ohnehin klar ist)? Darauf liefert das „Zeit“-Interview bereits die Antwort. Er könne diejenigen verstehen, sagt Gauck, die fragen:
„Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die AUFKLÄRUNG erlebt, gar eine REFORMATION?“
 Der Bundespräsident möchte also diejenigen in Deutschland vertreten, die noch auf die Werte der Aufklärung und der Reformation setzen, wie es der Philosoph Jürgen Habermas immer wieder getan hat. Er möchte kämpferisch die Moderne gegen deren Verächter verteidigen und sieht Deutschland als festen Teil der westlichen Wertegemeinschaft mit einer besonderen Verantwortung, sich gegen autoritäre und inhumane Entwicklungen zu wehren. Genau das hat Gauck mit seinem Israel-Besuch deutlich gemacht. Wenn er sich nun gegen den Islam wendet, so sieht er den wachsenden islamischen Einfluß in Europa als bedenklichen Rückfall in jene autoritären und inhumanen Verhaltensweisen. Sie müssen nicht immer von den Nazis ausgehen.

Die Frage ist, ob die Konservativen, soweit sie Gauck unterstützt haben, sich wirklich freuen können. Gauck liegt eindeutig auf der Linie von Habermas und der „kommunikativen Vernunft“. Er ist ein typischer Vertreter der Totalitarismustheorie, das heißt, alles ist böse, was nicht liberal ist. Er ist gegen eine religiöse Autorität, wie sie vom Koran oder auch vom Papst ausgeht, und für die protestantische Gewissensfreiheit. Ist das konservativ? Zwar ist es konservativ im Vergleich mit einem schrankenlosen Multikulti, gegenüber dem Islam ist es jedoch eindeutig modern und „zersetzend“.

Der Fall Gauck zeigt erneut, daß es unmöglich ist, innerhalb des bestehenden politischen Diskurses eine Position zu finden. Um weiterzukommen, müssen wir diesen Diskurs sprengen. Denn wer für Wulff ist, öffnet den Interessen der moslemischen Einwanderer Tür und Tor. Wer hingegen für Gauck votiert, verteidigt genau die Ideologie, die Europa zugrunde richtet. Das ist nämlich nicht der Islamismus – der könnte höchstens die Früchte ernten – sondern es ist jener europäische Geist, den Gauck mit Habermas gegen den Einbruch des Fremden verteidigen will. Und wie könnte man diesen Diskurs sprengen? Nur durch das Erwachen des FREMDEN in uns selbst – IM EUROPÄISCHEN ERBE.

Wer sich auf den Anti-Islamismus (auch in der moderaten Form von Gauck) einläßt, muß selbstverständlich für Israel sein. Nicht unbedingt für die aktuelle Politik von Israel, obwohl es da auch schwierig ist, sich zu distanzieren, aber vor allem für die „Holocaust-Religion“. Denn diese Religion – und längst nicht mehr die Ideen von „Aufklärung und Reformation“ – steht heute in Konkurrenz mit der islamischen Reaktion. Schließlich ist der neue Bundespräsident nicht zum Grab von Martin Luther oder von Immanuel Kant gepilgert, auch nicht von Voltaire, sondern nach Yad Vashem.


Montag, 14. Mai 2012

Urheberrecht


Das Urheberrecht für „Mein Kampf“ läuft in Kürze ab. Das Buch auf der Straße zu verteilen, wie es die Moslems gerade mit dem Koran machen, wird in Deutschland weiterhin nicht erlaubt sein. Aber in Griechenland zum Beispiel müßte es gehen. Dabei ist es ziemlich egal, was in dem Buch drinsteht, oder ob es jemand liest. Der bloße Titel bewirkt – ähnlich wie beim Koran – Angst und Schrecken.
"Mein Kampf" in Übersetzungen

Die griechischen Nationalsozialisten ("Goldene Morgendämmerung"), die am 6. Mai ins Parlament gewählt wurden, sind kein Einzelfall. Sogar an weltabgelegenen Orten finden sich vereinzelt „neonazistische“ Aktivitäten. Folgende Informationen stammen aus einem Artikel der linken Wochenzeitung „der freitag“ vom 03. August 2010:
Ultranationale Gruppen wie das "Weiße Hakenkreuz" verehren den Nationalsozialismus und mobilisieren gegen gesellschaftliche Randgruppen. Ihr größtes Feindbild ist China.
Sie führen die rechte Hand an die schwarzgekleidete Brust, dann schnellt der Arm zum Gruß an die Nation nach vorne: „Sieg Heil!“ Sie preisen Hitlers Hingabe an die ethnische Reinheit, dabei entsprechen sie mit ihren hohen Wangenknochen, ihren dunklen Augen und der braunen Haut nicht gerade dem arischen Ideal des Dritten Reichs. Nichtsdestotrotz hat eine neue Form des Nazismus eine ungewöhnliche Heimat gefunden: die Mongolei.
Das westliche Demokratie-Modell verliert in den aufstrebenden Ländern des Subkontinents an Überzeugungskraft.
Gruppen wie Tsagaan Khass („Weißes Hakenkreuz“) stilisieren sich als Patrioten, die sich gegen Kriminalität aus dem Ausland, maßlose Ungleichheit, Gleichgültigkeit seitens der Politik, gegen Korruption und für die kleinen Leute einsetzen. Doch ihre Kritiker werfen ihnen vor, Unschuldige zum Sündenbock zu machen und zu attackieren.
Die Anführer von Tsagaan Khass behaupten von sich, Gewalt nicht zu unterstützen, obgleich sie selbst ernannte Nazis sind. „Wir haben Respekt vor Adolf Hitler. Er hat uns gelehrt, wie man nationale Identität schützt“, erklärt ein 41-jähriges Gründungsmitglied, das sich selbst Big Brother nennt.
„Wir müssen als Nation gewährleisten, dass unser Blut rein ist. Das ist eine Frage der Unabhängigkeit“, erklärt der 23-jährige Battur und weist darauf hin, dass die Mongolei weniger als drei Millionen Einwohner hat. „Wenn wir uns mit den Chinesen vermischen, werden sie uns langsam verschlingen. Die mongolische Gesellschaft ist nicht besonders reich. Fremde kommen mit viel Geld und könnten sich unsere Frauen holen.“
Big Brother bekennt, dass er mit diesem Gedankengut durch nationalistische Gruppen in Berührung gekommen sei, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in Russland entstanden. Die Mongolei zählte damals zu den Satellitenstaaten.“
Wörter wie „Chrysi Avgi“ und „Tsagaan Khass“ klingen richtig nach „Kanake". Man kann sie kaum aussprechen. Und doch kommt die Hoffnung eher von dort als aus Mecklenburg oder Sachsen. Schon weil hier immer mehr Alte sind, und dort junge gesunde Männer in Scharen darauf warten, von irgendwem gebraucht zu werden. Der Kapitalismus braucht sie nicht mehr. Soll man sie dem Koran überlassen?
Über den berühmtesten Mongolen bemerkte Adolf Hitler am 22. August 1939 vor den Oberbefehlshabers der Wehrmacht:
Unsere Stärke ist unsere Schnelligkeit und unsere Brutalität. Dschingis Khan hat Millionen Frauen und Kinder in den Tod gejagt, bewußt und fröhlichen Herzens. Die Geschichte sieht in ihm nur den großen Staatsgründer. Was die schwache westeuropäische Zivilisation über mich behauptet, ist gleichgültig.“

Bruder im Geiste: Dschingis Khan

In „Mein Kampf“ stehen solche Sätze nicht. Das Buch ist vor allem als Propaganda gedacht. Immerhin herrscht hier nicht so ein Durcheinander wie im Koran.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Eichmanns Ende

Gestern kam in 3 Sat noch einmal „Eichmanns Ende“, ein Dokumentarfilm von 2010. Danach die „Wannseekonferenz“, ein Dokudrama (Spielfilm) von 1984.

Wie kommt es, daß einem die Bösewichte in solchen Filmen menschlich immer so angenehm sind? Der Schauspieler Herbert Knaup wirkt als Adolf Eichmann richtig sympathisch. Liegt es daran, daß man voreingenommen ist (daß man es so sehen will)? Liegt es daran, daß die Filmemacher mit Absicht „gegen den Strich“ inszenieren, damit die Sache nicht so langweilig wird? Ein teuflischer Eichmann würde das Publikum nur enttäuschen, das wußte schon Hannah Arendt. Oder liegt es etwa daran, daß die Nazis wirklich so sauber und anständig waren??
Nichts von alledem: Die persönliche Integrität dieser Figuren ist einfach darauf zurückzuführen, daß sie einer Generation angehörten, wo man (egal ob Nazi, Kommunist oder Liberaler, ob Pfarrer, Maurer oder Beamter) im Normalfall (von Ausnahmen abgesehen) noch „anständig“ war und nicht so verkommen, wie wir es heute allesamt sind. Wir sind heute nicht deshalb verkommen, weil wir die falschen Werte haben oder nicht mehr an Gott glauben, sondern weil uns hundert Fernsehprogramme, hundert Schokoriegel und hundert Freunde auf Facebook korrumpieren. Wir sind in jedem Sinne „zugemüllt“ und schon selbst zum Abfall geworden.
Noch unter Adenauer waren die Leute „sauber“. Und selbst Rudi Dutschke oder Ulrike Meinhof sind als „anständige Menschen“ angetreten. Man braucht sie nur anzusehen. Es sind Leute, die als Kinder noch stillsitzen mußten. Es ist tatsächlich der Bruch von 1968, durch den sich der ganze Habitus ändert. Der Beginn liegt viel früher, doch da ist es offensichtlich geworden.
Wer im Müll lebt, und das tut auch der, der ihn ständig wegzuräumen versucht, dem merkt man das an. Erst in der Kleidung, dann in der Haltung, dann in der Figur und schließlich auch im Gesicht. So weit sind wir allerdings noch nicht. Sonst würden sich nicht immer wieder Schauspieler finden, die im Stande sind, den verschwundenen Menschentypus so überzeugend darzustellen. Die Substanz ist noch da. Die Leute müssen nur in ein anderes Kostüm schlüpfen, einen anderen Text reden, und schon sind es wieder die alten.

Eichmann in Jersulem 1961
Eichmann im Film 2010

Auch das kann sich über eine evolutionäre Anpassung an die totale Zivilisation, sprich durch die negative Selektion, eines Tages ändern. Es braucht gar nicht so lange zu dauern, dann sehen die Menschen nicht nur anders aus und handeln anders, sondern sind tatsächlich andere. Und das bei einem „rein arischen“ Stammbaum.


Mittwoch, 2. Mai 2012

Schädelvermesser

Das neueste Buch von Richard Dawkins gegen die Kreationisten trägt den Titel „Die Schöpfungslüge“. Es sind aber noch andere Lügen, die dort wieder einmal zum Vorschein kommen.

Wie gewohnt erklärt Dawkins die komplizierten Indizien, die für Darwins Evolutionstheorie sprechen, und widerlegt die rührend naiven Vorstellungen der Bibelgläubigen. In Kapitel 7 begegnet uns eine schöne Ansammlung von Schädelbildern. Sie gehören zu den verschiedenen „Urmenschen“, genauer den Zwischenstufen von Affe und Mensch. "Fehlende Menschen? Sie fehlen nicht mehr“, heißt das Kapitel. Die Kreationisten argumentieren besonders gern mit dem „Missing link“ zwischen Affe und Mensch. Dawkins entwirft einen amüsanten Dialog mit einer Kreationistin namens Wendy, die nicht einsehen will, daß es ein solches „Verbindungsglied“, das weder Affe noch Mensch bzw. beides zugleich ist, per definitionem nicht geben kann. Die Forscher bemühen sich nämlich, jeden Fund entweder der einen oder der anderen Seite zuzuordnen, da Mensch und Affe nun einmal die Spezies sind, von denen wir ausgehen. So schafft die Wissenschaft erst jene Eindeutigkeit, die Wendy für einen Beweis hält, daß es eine kontinuierliche Entwicklung vom Affen zum Menschen nicht gegeben habe.

Besonders interessant ist das Kriterium, wonach die Wissenschaftler ihre Zuordnung vornehmen. Dieses Kriterium ist in erster Linie die Schädelform, und zwar das Verhältnis zwischen Hinterkopf und vorderer Gesichtshälfte.

Neanderthaler
Steinheimer Urmensch
Australopithecus
Homo sapiens


Nun ist das Wort „Schädelform“ politisch derart verrufen, daß man es nur mit einem gewissen Schauern lesen kann. Habe ich mich durch die Lektüre solcher Seiten nicht bereits strafbar gemacht? Wenn wenigstens der evolutionsbiologische Zusammenhang ein völlig anderer wäre als bei den rassistischen „Schädelvermessern“, so daß es sich bloß um ein zufälliges Zusammentreffen handelte, wenn hier von Hinterköpfen und deren Ausprägung die Rede ist. Doch leider funktioniert die Argumentation bei Dawkins und seinen Fachkollegen ganz genauso wie bei Dr. Mengele: Je stärker bei einem aufgefundenen Schädel der Hinterkopf ausgeprägt ist, und das läßt sich messen, desto näher soll die entsprechende Spezies dem Homo sapiens in der Entwicklung stehen. Je niedriger umgekehrt der Hinterkopf und je weiter vorgeschoben der Unterkiefer ist, desto „affenähnlicher“ soll das Lebewesen sein.
Das Kritierum ist nicht etwa ästhetisch zu verstehen. Dawkins würde niemals behaupten, daß der Mensch „schöner“ oder „besser“ sei als der Affe. Fakt ist aber, daß sein Gehirn ein mehr als doppelt so großes Volumen hat. Und eine größere Gehirnmasse benötigt zur Unterbringung einen entsprechend ausgeweiteten Hinterkopf. Damit der Schädel aber insgesamt nicht zu schwer wird (Schädelknochen sind die dicksten Knochen), bildet sich der Unterkiefer in gleichem Maße zurück.
Die geistige Überlegenheit oder Unterlegenheit an der Schädelform abmessen zu wollen, ist demnach nicht abenteuerlich oder absurd, sondern zumindest naheliegend. Trotzdem muß es im Hinblick auf die menschlichen Rassen nicht das richtige Kriterium sein. Es könnten andere kompliziertere Zusammenhänge vorliegen. Das wäre zu untersuchen. Statt dessen wird aber die Schädelmessung rein polemisch als Zeichen kompletter wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit hingestellt. Die ideologischen Fragen in der Biologie betreffen mit Sicherheit nicht nur den Kreationismus. Und obwohl Dawkins mit Recht darauf hinweist, wie mächtig die Fundamental-Christen in den USA heute sind, gibt es durchaus noch mächtigere Gruppen, die bis in die Naturwissenschaften hinein ihren Aberglauben verbreiten.
Selbst Richard Dawkins, der nicht zu den ausgesprochenen Gutmenschen gehört, hält es für nötig, einer politisch „mißverständlichen“ Interpretation seiner Ausführungen vorzubeugen. Man darf es nie vergessen: Das Schlimmste, was heute passieren könnte, wäre ein renommierter Biologe mit „rechtsextremen“ Ansichten. Solche Ansichten dürfen nur Nicht-Biologen äußern wie der Extremist Jürgen Rieger oder der Populist Thilo Sarrazin, die schon auf Grund mangelnder Ausbildung wissenschaftlich nicht ernst zu nehmen sind.
Echte Wissenschaftler müssen sich davon abgrenzen, sonst würden sie ihre Autorität einbüßen. Und nicht zuletzt wegen der Autorität hat der Wissenschaftlicher seine schwierige Ausbildung gemacht. Deshalb kommt in dem fiktiven Dialog auch folgende Stelle vor:
Wendy: „Die Philosophie der Evolution kann zu Ideologien führen, die für die Menschen so zerstörerisch gewesen sind…“
Richard: "Ja, aber wäre es da nicht ein guter Gedanke, nicht nur auf die falsche Deutung des Darwinismus hinzuweisen, der politisch heimtückisch mißbraucht wurde, sondern den Darwinismus zu verstehen? Dann wären sie in der Lage, diesen entsetzlichen Mißverständnissen entgegenzutreten.
Auch Richard Dawkins macht also die Verbeugung vor der Menschenrechtsideologie und läßt sich dabei so weit verdummen, daß er allen Ernstes behauptet, wir sollten uns mit der Evolutionslehre beschäftigen, um dem Rechtsextremismus vorzubeugen: „Genetik gegen rechts“.
Sicher ist es nicht falsch, pseudowissenschaftlichen Rassisten mit korrekten biologischen Argumenten entgegenzutreten. Doch beherrschen ja nicht die pseudowissenschaftlichen Rassisten die öffentliche Meinung, wie es vielleicht zwischen 1933 und 45 in Deutschland einmal der Fall war, sondern es sind die Menschenrechtsideologen, die inzwischen fünfmal so lange und in der ganzen Welt die öffentliche Meinung beherrschen. Und die Kreationisten setzen der Humanitätsduselei noch die Krone auf, indem sie behaupten, die Erde sei für den Menschen da. Das weiß Dawkins ganz genau, sonst würde er nicht unverdrossen den Darwinismus propagieren. Trotzdem macht er etwa in der Mitte seines Buches den obligatorischen Rückzieher. Warum? Nachdem er sogar im Ruhestand ist, kann dem Wissenschaftler niemand mehr etwas anhaben. Doch hat er die „politische Korrektheit“ so weit verinnerlicht, daß sein eigenes Gewissen ihn zu solchen Einlassungen zwingt.
Das Wort „verinnerlichen“ stammt aus der Psychologie, das Wort „Gewissen“ aus der Theologie, aber beides ist von der herrschenden Ideologie keineswegs so unabhängig, wie behauptet wird. Das Gewissen als verinnerlichte herrschende Ideologie läßt sich nur negieren, wenn man innerhalb eines geschlossenen Kreises von Leuten lebt, die die herrschende Ideologie ebenfalls nicht teilen. Das ist bei Dawkins sicher nicht der Fall. Er lebt trotz seiner ketzerischen Art („The Devil’s Chaplain“) inmitten der etablierten Meinungsführer. Und nur da kann er eine Wirkung auf die öffentliche Meinung ausüben. Wer innerhalb jenes Kreises von Andersgläubigen lebt und sich von der herrschenden Zensur völlig frei gemacht hat, der ist automatisch auch in dem berühmten „Ghetto“, aus dem heraus keine nennenswerte Wirkung mehr möglich ist, weil alle Wege nach draußen abgeschnitten sind. Macht man sich diesen Zusammenhang klar, dann scheint es keine Hoffnung zu geben. Es gibt aber Hoffnung, weil es die historische Entwicklung gibt. Wie die Evolution bringt sie Dinge hervor, die sich vorher niemand träumen läßt.
Was aber die übelste Folge der Abgrenzung ist: Heute schwärmen fast nur noch diejenigen von der überlegenen Intelligenz der Weißen, die dafür das allerschlechteste Beispiel sind. Denn die wirklich Intelligenten haben längst begriffen, wie sehr ihnen solche Ansichten schaden. Eine Dummheit der Rassisten besteht zum Beispiel darin, die (wahrscheinliche) Herkunft des Menschen aus Afrika zu leugnen, weil sie nicht gern „vom Neger abstammen“ wollen. Wie bei Dawkins dargetan, sprechen aber alle bisherigen Knochenfunde für Afrika als die „Wiege der Menschheit“. Alle Menschenrassen stammen demnach aus der gleichen Horde, die einst in Afrika sozusagen von den Bäumen herunter kletterte. Einige von ihnen sind dann weitergewandert und haben sich dabei allmählich von der Urform wegentwickelt. Sie sind bei abnehmender Sonneneinstrahlung ausgeblichen und nahmen die gelbe oder weiße Hautfarbe an. Ihre Schädelform veränderte sich und möglicherweise auch ihre Denkungsart. Warum sollte ein weißer Rassist das leugnen? Weil manche eben nicht bis drei zählen können.

Donnerstag, 26. April 2012

Friedrichjahr 2012

Im Zeughaus-Kino lief gestern abend der „Große König“ von Veit Harlan (1943). Die Filmreihe über Friedrich II. ergänzt die Ausstellung des Deutschen Historischen Museum (DHM) im Friedrichjahr 2012. Selbstverständlich ist dafür gesorgt, daß nicht wieder eine „Glorifizierung“ daraus wird. Vor Beginn des Films findet deshalb jedesmal eine historische Einführung statt.

Bei Friedrich II. fällt wohl jedem inzwischen das Gemälde ein, das im Führerbunker hing. Man kennt es spätestens aus dem Film „Der Untergang“. Und jeder weiß auch, warum Hitler sich gegen Ende an dieses historische Vorbild klammerte: weil auch Friedrich im Siebenjährigen Krieg zeitweise Grund zum Verzweifeln hatte und gegen eine Übermacht von Feinden antrat, um schließlich doch noch zu siegen. Im Harlan-Film wirft einer der Generäle dem König vor, „die Vorsehung herausgefordert“ zu haben. Solche Befürchtungen wirken im Nachhinein sehr eindrucksvoll – nur weiß man es vorher nicht. Die Gefahr ist, daß der Film das historische Wissen vorwegnimmt, doch die Szene, in der Friedrich sich am Ende wähnt, ist sehr realistisch getroffen. Auch das Volk hatte sich nach Kunersdorf gegen ihn gewendet.
In der Ausstellung gibt es einen Hinweis, wie weit die Identifikation Hitlers mit Friedrich II. tatsächlich ging. Sie begann nicht erst mit dem Krieg. Schon 1931 gab es im Braunen Haus ein Porträt von Friedrich hinter dem Schreibtisch. Im Salon der Alten Reichskanzlei tauchte es 1934 wieder auf. Im Berghof ist es das Bild des Kronprinzen Friedrich, gemalt von Anton Pèsne, das ab 1936 über dem Kamin hängt. Das Gemälde aus der Alten Reichskanzlei wird ab 1942 bei jedem Quartierwechsel im Flugzeug mitgeführt und hängt schließlich im Bunker. Kurz vor dem Ende schenkte Hitler es dem Piloten Hans Baur, und auf der Flucht ging es verloren.  Dabei soll es sich um eine zeitgenössische Kopie des Gemäldes von Anton Graff von 1781 gehandelt haben. Das Original ist in der Stiftung Preußischer Schlösser bis heute erhalten.
Diese Geschichte ist in einer Art „Hitler-Ecke“ in der Friedrich-Ausstellung im DHM dokumentiert. Im Katalog findet sich die Bemerkung: „Vermutlich schon vor dem Ersten Weltkrieg entdeckte der Österreicher A.H. den Preußen Friedrich II. für sich als Vorbild: Staatslenker, Feldherr, Bauherr und Künstler.“
Demnach hätte Hitler schon vor dem Entschluß, Politiker zu werden, sich einen König und Feldherrn zum persönlichen Vorbild genommen. Das ist eine kühne Vermutung. Es stimmt allerdings, daß die Friedrich-Begeisterung schon viel früher beginnt als die historische Parallele zum Siebenjährigen Krieg. Es gibt nämlich noch eine andere Parallele, die in einem weniger bekannten NS-Film dargestellt wird – natürlich ohne jede Anspielung auf den Führer. „Der alte und der junge König“ von Hans Steinhoff (1935) schildert den Vater-Sohn-Konflikts Friedrichs mit dem Soldatenkönig eindrucksvoll und drastisch. Denkt man sich den Königstitel weg, so ist der Vater Friedrichs II. ein eher beschränktes Gemüt und zudem regelmäßiger Trinker. Das „Tabakskollegium“, wo er jeden freien Abend verbringt, erweist sich als Saufgelage. Sicher ist Friedrich Wilhelm I. ein tüchtiger und erfolgreicher Monarch, und entsprechend strotzt er vor Selbstbewußtsein. Wie alle Spießer ist er unfähig, irgendeine andere Existenzform neben sich anzuerkennen, und glaubt, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Diese Wahrheit besteht aber nicht zuletzt in der Schätzung des Geldes als obersten Maßstab. Seine Sparsamkeit nutzt er auch zur Drangsalierung der Familie.
Über Adolf Hitlers Vater wissen wir wenig. Nach den Hinweisen haben wir es aber mit einem „Soldatenkönig“ im Mini-Format zu tun. Selbstbewußt durch seine beruflichen Leistungen, regelmäßiger Kneipengänger, seine Familie schikanierend und allem Höheren völlig abgeneigt. Erinnerlich ist Hitlers Beurteilung Himmlers: tüchtig, aber „ein völlig amusischer Mensch“ und deshalb nicht vertrauenerweckend. Daraus spricht die Abneigung gegen den Typus des Vaters, des praktischen Tatsachenmenschen, der seinen Sohn Adolf „nicht verstand“. Mit dem Vater sah der Knabe eine Macht sich gegenüber, die ihm im Grunde ihres Wesens fremd war. In dieser Gestalt trat die grausame Wirklichkeit erstmals dem Träumer gegenüber. Und genau so war es dem Kronprinzen ergangen. Der Vater war ihm wesensfremd und hatte doch die Macht über ihn. Er herrschte unerbittlich und ließ den Jüngeren in ohnmächtiger Wut zurück.
Emil Jannings als Soldatenkönig

Und dennoch hat der Vater recht. Das hatte Friedrich nach der Hinrichtung seines Freundes Katte in der Festung Küstrin endgültig begreifen müssen und sich daraufhin in erstaunlicher Weise gewandelt. Der vorher kunstinteressierte, kultivierte und sensible Prinz beschäftigte sich plötzlich intensiv mit Wirtschaft und Politik, wurde ein vorbildlicher Soldat – und entwickelte eine Härte und Entschlossenheit, die man nie von ihm erwartet hatte. Was zeigte das? Charakterlich hatte er sehr wohl etwas von seinem Vater mitbekommen. Und der Schwärmer in ihm muß einsehen, daß ihm die hohen Ansprüche nichts nützen, wenn er nicht die Fähigkeit hat, diese Ansprüche auch durchzusetzen. Friedrich integriert quasi die beschränkte, aber starke Gestalt seines Vaters in die eigene weit gespannte Persönlichkeit und erreicht dadurch erst die spätere politische Wirksamkeit.
Nun ist Hitlers Jugendfreund August nicht hingerichtet worden, sondern Adolf hat sich selbst von ihm getrennt, um die hohen Erwartungen des Freundes nicht schmählich enttäuschen zu müssen. Das war in den ersten Jahren in Wien, als die künstlerischen Hoffnungen gescheitert waren. Nachdem also der Vater relativ früh verstarb, hatte die harte Realität selbst die Erziehung des jungen Mannes übernommen. Ähnlich wie Friedrich mußte Adolf Hitler im Laufe der Zeit einsehen, daß die Welt sich den noch so hehren Wünschen nicht fügt. Nur wer mit harten Bandagen kämpft, kann seine Ziele auch realisieren.
Diese Parallele ist es, die Hitler nach seinem Wechsel in die Politik immer stärker zum Vorbild Friedrich gezogen hat. Hier hatte er einen Menschen gefunden, der ebenfalls aus der künstlerischen Sphäre kam, „musisch“ war – und es dennoch geschafft hatte, mit eiserner Hand über Menschen zu herrschen, die ganz anders waren als er. Er war nicht nur der Realität gewachsen, sondern sogar Herr dieser Realität.
Schwärmerische Augen, entschlossenes Kinn: Friedrich II., gemalt von Graff

Es ist allerdings klar, daß Hitler – im Unterschied zu Friedrich – nur einen temporären Wandel durchmachte. Was Küstrin für Friedrich hatte für ihn der Erste Weltkrieg bedeutet: das Erwachen aus kindlichen Träumen. Und noch erstaunlicher als die rasche Entwicklung des Kronprinzen zum militärischen und ökonomischen Fachmann ist die plötzliche politische Kompetenz  eines Außenseiters, der sich bisher fast nur mit Musik und Architektur beschäftigt hat. Machtgewinn bringt zwar dem Machtmenschen steten Genuß und kann sogar süchtig machen. Doch für den Willensmenschen – und der Träumer ist immer ein Willensmensch -  bedeutet der Umgang mit Macht nur eine stete Last – schon deshalb weil sie zum Umgang mit Menschen zwingt, die überhaupt nicht auf seiner Wellenlänge liegen. Hierbei hatte Hitler in Friedrich immer einen geheimen Verbündeten, der ebenfalls diese unablässigen Händel auf sich genommen hatte, um seine Vision zu realisieren. Es gibt aber einen Punkt, den Friedrich dabei nicht überschritten hat. Er führte zwar riskante Kriege, so weit reicht die Parallele, aber er führte keinen aussichtslosen Krieg. Ob der preußische König dazu unter Umständen in der Lage gewesen wäre, läßt sich nicht sagen. Hitler jedenfalls verließ das einmal gewählte Realitätsprinzip wieder, als sich herausstellte, daß es mit seinem Inneren nicht mehr in Einklang zu bringen war, und wandte sich erneut einer rein visionären Einstellung zu. Sie ist dadurch gekennzeichnet, den eigenen Willen den herrschenden Machtverhältnissen unvermittelt gegenüberzustellen, bis es zur Katastrophe kommt – also die Haltung, die Friedrich im Konflikt mit dem Vater bis zu seiner Festnahme an den Tag gelegt hat. Auch das war „Selbstmord“, und nur die politische Rücksicht verhinderte, daß Friedrich Wilhelm I. seinen eigenen Sohn hinrichten ließ.  
Die Verbindung zu Friedrich berührt auch das Gebiet der Religion. Zu Hitlers religiöser Tarnung gehört es auch, daß er in „Mein Kampf“ nicht von dem offensiven Atheismus spricht, den sein Vater vertreten hatte. Alois Hitler war bekannt für seinen Haß auf die „Pfaffen“ und weigerte sich, eine Kirche zu betreten. Hier folgt der Sohn ihm stärker als der – im Buch angeführten – naiv frommen Mutter. Zwar ist Hitler kein Atheist, doch über seine Ablehnung gegen die Kirchen kann es keinen Zweifel geben. Auch hier trifft er sich mit Friedrich II. Im „Großen König“ spricht dieser von „eurem Gott“, der für ihn selbst, den König, keine Bedeutung habe. Es ist zur damaligen Zeit eine Ungeheuerlichkeit, daß ein Herrscher, der seinen eigenen Machtanspruch aus dem Gottesgnadentum ableitet, selber nicht an den christlichen Gott glaubt. Entsprechend entschlüpft Friedrich gegenüber unfähigen Adligen auch der Satz: „Am besten sollte man ihnen den Kopf abschlagen“. Das weist auf die Französische Revolution voraus. Friedrich folgt dem französischen Philosophen Voltaire, der Aufklärung gegen Kirche und Aberglauben betreibt. Friedrichs Vorliebe für die Franzosen bezieht sich auf deren Modernität und deren Vernunftglauben. Erst mit Immanuel Kant sind Aufklärung und Vernunft endgültig in Preußen eingezogen. Und damit hängt auch die historische Überlegenheit Preußens gegenüber dem Habsburgerstaat zusammen.
Man darf sich also im Hinblick auf Hitler fragen: Kann jemand, der sich mit dem Preußenkönig identifiziert, eine reaktionäre Weltanschauung haben? Friedrich hat mit dem mittelalterlich fundierten Weltbild bereits gebrochen, das die Habsburger bis ins 19. und 20. Jahrhundert hineingeschleppt haben. Diese christliche Tradition sollte den Vielvölkerstaat zusammenhalten. Wie aber definiert der „große Friedrich“ den Begriff Tradition? „Dünkel, Faulheit und Feigheit“ – das ist deutlich. Nur die persönliche Leistung und nur das überprüfbare Wissen sollen zählen. Das ist genau das Gegenteil reaktionärer Einstellung. Im Krieg zwischen Preußen und Österreich trafen zwar Deutsche und Deutsche aufeinander. Doch es ging um eine historische Weichenstellung. Der Sieg Preußens bedeutete letztlich den Untergang des Habsburger Staates mitsamt seiner weltanschaulichen Grundlage. Auch wenn sich dieser Untergang noch lange hinziehen sollte.
Daraus läßt sich auch entnehmen, was die Parteinahme Hitlers für das Deutsche Reich und gegen seine geografische Heimat Österreich bedeutete. Nicht nur der Vielvölkerstaat wurde abgelehnt, sondern auch dessen Voraussetzung: die universalistische, nämliche christliche Ideologie. Das Deutsche Reich wird hingegen als Erbe Preußens betrachtet und damit als Vertreter moderner Tugenden. Auch wenn Hitler sich wiederum gegen die modernen Verfallserscheinungen wendet, so bedeutet das niemals eine Rückkehr zu reaktionären, katholischen, „österreichischen“ Vorstellungen. Das würde eine Verehrung Friedrichs II. völlig ausschließen. Und an dieser Verehrung kann kein Zweifel sein.  
  


Donnerstag, 19. April 2012

Deutscher Nationalismus 2012 - eine Antwort


Anfang April erschien auf „Deutschlandecho“ ein längerer Beitrag mit dem Titel „Deutscher Nationalismus 2012 – eine Kritik“. Der Beitrag ist anonym. Er enthält die altbekannte Forderung, die NS-Nostalgie aufzugeben und sich endlich „der Gegenwart zuzuwenden“. Herauskommen soll ein „moderner Nationalismus“. Bemerkenswert ist daran nur, mit welch frischem Optimismus immer wieder diese Vorsätze ertönen, als ob nicht der deutsche Nationalismus seit 1945 überwiegend in dem Bestreben bestanden hätte, sich vom Nationalsozialismus zu lösen oder den Verdacht davon loszuwerden und endlich in der Gegenwart anzukommen. Die aktuellen politischen Themen wechselten in diesen 70 Jahren zwar ständig, aber der deutsche Nationalismus ist niemals irgendwo angekommen. Warum sollte sich dies ausgerechnet im Jahre 2012 ändern?
Es spricht in der Tat etwas für Veränderung. Auch in dem „Nationalismus“-Text findet man einen Neuansatz. Der deutsche Nationalismus ist bisher bestimmt durch zwei Fraktionen. Die einen möchten am liebsten einen neuen Nationalsozialismus einführen, natürlich ohne die Niederlage und auch ohne die Verbrechen, die entweder ganz abgestritten oder bestimmten Einzelpersonen in die Schuhe geschoben werden. Diese Fraktion wird in der Öffentlichkeit als „die Neonazis“ bezeichnet, und das möchten sie wohl auch sein. Besser paßt jedoch der Ausdruck „NS-Nostalgiker“, weil es sich hier um eine naive Verharmlosung und Verherrlichung handelt. Die andere Fraktion könnte man als „Verdrängungskünstler“ bezeichnen. Ihr Bestreben ist das möglichst weitgehende Ignorieren der NS-Zeit. Die Verdrängungskünstler sind davon überzeugt, daß in Deutschland alles bestens stehen würde, wenn es Hitler nie gegeben hätte. Oder wenn man nach 1945 von Hitler nicht mehr geredet hätte. Die gesamte Dekadenz führen sie darauf zurück, daß durch die Nationalsozialisten die alten nationalen Werte in Mißkredit geraten seien. Die Tatsache, daß es in anderen Ländern auch nicht besser aussieht als in Deutschland, obwohl diese Länder gänzlich unbelastet vom Nationalsozialismus sind, blenden die Verdrängungskünstler gerne aus. Es ist eine bequeme Feigheit, die 12 Jahre als winzigen, unbedeutenden und zufälligen Teil der glorreichen deutschen Geschichte zu betrachten und möglichst schnell zu vergessen. Am meisten ärgern sich die Verdrängungskünstler über die NS-Nostalgiker. Letztlich meinen sie, daß nur die kontraproduktive Tätigkeit der Nostalgiker daran schuld sei, daß in Deutschland nicht längst eine nationale Regierung das Sagen hat.
Aus dieser Zweiteilung ist der Autor von „Nationalismus 2012“ immerhin ausgebrochen. Er wendet sich gegen die Nostalgiker, tritt aber nicht auf die Seite der Verdränger. Die Bedeutung des Nationalsozialismus wird nicht geleugnet, sondern eine „kritische Auseinandersetzung“ damit eingefordert. Wörtlich heißt es: „Es muß zusätzlich eine vorbehaltlose, objektive und sachliche Kritik am Nationalsozialismus möglich sein, die weder von Einfaltspinseln auf der einen noch auf der anderen Seite gestört wird.
Eine ähnliche Formulierung findet sich in einer aktuellen Broschüre mit dem Titel „Wegweiser für eine Revolution von rechts“. Dort heißt es: „Die Geschichte des Nationalsozialismus gleicht einem unvollendeten Roman. (…) Ob wir es wollen oder nicht, die Fertigstellung dieses Werkes ist der Schlüssel zur Selbstfindung unseres Geschlechts.“ Die Verfasser sind wiederum anonym. Auf die Frage, was mit „Geschlecht“ gemeint ist, erklären sie, daß sich der Ausdruck auf Menschen bezieht, die die neue Sichtweise teilen. Also nicht nur auf Deutsche. Wahrscheinlich sind solche Äußerungen kein Zufall. Nach dem Tod der letzten großen Zeitzeugen und durch die veränderte Weltlage bereitet sich eine neue Phase in der Deutung des NS vor. Ernst Nolte spielt darin die Rolle eines Vorläufers. Doch Nolte ist ein Liberaler geblieben. Was jetzt ansteht, ist die Betrachtung der NS-Zeit unter dem Vorzeichen des Scheiterns von Marxismus und Liberalismus, den beiden ehemaligen Gegnern.
Nach 1945 haben die Nationalen in Deutschland den Nationalsozialismus, soweit er in ihre Köpfe Eingang gefunden hatte, ganz schnell und gründlich daraus entfernt. Der NS erschien im Rückblick wie eine flüchtige Sternschnuppe. Die Deutschen, die seit den 20er Jahren zum NS stießen, hatten in der Mehrzahl auch vorher schon national gedacht. Sie waren entweder deutschnationale Bürgerliche oder nationalrevolutionäre Jugendbewegte oder national eingestellte Sozialdemokraten und von ihren Erlebnissen geprägte Kriegsteilnehmer. Dieses ideologische Umfeld kennen wir recht gut, weil es mehr oder weniger das gleiche ist, was seit 1945 wieder die deutsche Rechte ausmacht. Nachdem der Nationalsozialismus militärisch gescheitert war und die nationalsozialistische Ideologie von den Besatzungsmächten strengstens verboten wurde, taten die ehemaligen Nazis das, was der Mensch immer tut, wenn ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird: sie „regredierten“. Regression ist ein Begriff aus der Psychologie und bedeutet die Rückkehr zu infantilen und primitiven Verhaltensweisen. Wo diese aufgeschreckten Nazis ideologisch herkamen, dorthin ruderten sie schleunigst zurück. Und den meisten fiel es auch gar nicht so schwer, weil die diversen nationalen Denkweisen tief in der deutschen und europäischen Kultur verwurzelt sind und gut eingeübt durch das ganze 19. Jahrhundert reichten, auch sind sie kompatibel zum Christentum und zur philosophischen Tradition. Das alles weiß der Durchschnitt zwar nicht, aber es wirkt beruhigend auf ihn ein. Es stabilisiert seine eigene Position.
Die „nationalsozialistische Weltanschauung“ hingegen ist in wenigen Jahren aus dem Boden gestampft worden. Sie wendet sich gegen das christliche Abendland und vertritt eine Umwertung der Werte. Dieses neue Denken wurde wiederum innerhalb kürzester Zeit in das Volk hineingepumpt. Nur wenige haben diese Weltanschauung innerlich angenommen. Wirkliche Nationalsozialisten gab es sehr wenige. Bei den meisten war es ein äußerlicher Lack von Phrasen, unter dem die alten Anschauungen beibehalten waren. Obwohl nach außen hin der Eindruck entstand, als sei das Volk mit seinem Führer einig, wußten die NS-Führer doch und äußerten es auch gelentlich, daß die eigentliche Erziehungsarbeit erst nach dem Krieg kommen sollte. Die Propaganda mußte die Leute belügen und betrügen, um eine positive Stimmung zu erzeugen. Die entscheidenden Projekte (Judenvernichtung, Euthanasie, Kriegsvorbereitung) wurden den Leuten erst gar nicht mitgeteilt. Man hielt sie nicht für reif dazu. Und in der Tat hatten sich die Deutschen über eine Idylle gefreut, die so gar nicht bestand.
Deshalb fiel es den nationalen Deutschen nicht schwer, nach 1945 zu ihrer nationalkonservativen Denkweise zurückzukehren. Sie merkten vielfach nicht einmal, daß sie nun etwas ganz anderes vertraten, sondern glaubten, sich infolge der Ereignisse bloß gemäßigt zu haben. Der Nationalsozialismus ist aber kein extremer Nationalismus und auch kein nationaler Sozialismus. Die Vokabel „Nationalsozialismus“ muß vorwiegend als Propagandaformel gesehen werden. In Wahrheit handelte es sich um etwas, das über den Nationalismus hinausgeht, aber nicht den Sozialismus ansteuert – um eine plötzliche Abweichung vom vorgeschriebenen historischen Kurs. Ein Bruch mit der Geschichte, wie es die Gegner bis heute beklagen. Im Unterschied dazu stammen die nationalen, nationalistischen, deutschnationalen und völkischen Strömungen allesamt aus dem 19. oder sogar schon aus dem 18. Jahrhundert. Die spezielle Situation, in der der Nationalsozialismus entstand, ist aber durch das Ende des 1. Weltkrieges und noch mehr durch die Oktoberrevolution von 1917 gekennzeichnet. Darauf hat Ernst Nolte immer wieder hingewiesen.
Der NS ist in erster Linie eine Reaktion auf den „Bolschewismus“, und der Bolschewismus ist die Konsequenz aus der europäischen Fortschrittsbewegung (auch „Moderne“ genannt). Damit ist der NS die Reaktion auf das Scheitern der Moderne. Der NS befindet sich auf der gleichen historischen Ebene wie die moderne Welt. Vor allem handelt es sich beim NS genauso wie beim Liberalismus oder Marxismus um eine Weltanschauung, das heißt, es geht um das Schicksal der gesamten Welt und um den Menschen als Spezies. Die Deutschen stehen nicht deshalb im Zentrum dieser Weltanschauung, weil ihre Schöpfer Deutsche sind, sondern weil die Deutschen eine welthistorische Mission haben. Diese „globale“ Mission steht in genauer Entsprechung zur „Weltherrschaft des Judentums“. Die Interessen aller anderen Nationen und Völker hängen von dieser großen Auseinandersetzung ab. Entsprechend haben sich die Nationalsozialisten über die Interessen kleiner Völker rücksichtslos hinweggesetzt. Sie sind davon ausgegangen, daß es um ein Gesamtkonzept gegen die bolschewistische Weltrevolution (inzwischen kapitalistische Weltgesellschaft) geht. Erst innerhalb dieses Gesamtkonzepts sind dann die nationalen Fragen zu lösen. Weltherrschaft, Weltordnung, Weltrevolution und Weltanschauung sind die Kategorien, in denen der NS und speziell die Rassenideologie zu sehen sind.
Mit diesem Programm haben die Nationalsozialisten in blitzartiger Geschwindigkeit die vielen nationalen und nationalistischen Gruppen in Deutschland an die reale weltpolitische Lage des 20. Jahrhunderts herangeführt und aus ihren traditionalistischen Krähwinkeln herausgerissen. Und diese Modernität hat die Nationalsozialisten gegenüber allen anderen rechten Gruppen ausgezeichnet. Nur auf diese Weise konnte es gelingen konnte, auch ehemalige Kommunisten zu gewinnen. Und aus demselben Grund hatte die NSDAP – ganz im Gegensatz zu den nationalen Parteien von heute – großen Zulauf bei den Intellektuellen, weil die nämlich wissen, was die Stunde geschlagen hat – auch wenn sie im Handeln völlig ohnmächtig sind.
Bis heute ist dieser „moderne Antimodernismus“ das gefürchtete Kennzeichen nationalsozialistischen Ideologie. Und das gilt auch für das 21. Jahrhundert, weil der Weltlauf, trotz des Ausscheidens der Marxisten, immer noch von den modernen Grundsätzen geleitet wird. Der oberste moderne Grundsatz ist der Humanismus („Menschenrechtsideologie“). Genau dagegen tritt die Rassenideologie und speziell der Antisemitismus an. Nicht aber der Nationalismus, weil der Nationalismus gar nicht auf der Ebene der Menschheit zu argumentierten vermag. Der Nationalismus tut immer noch so, als ob sich ein Land unabhängig von der übrigen Welt regieren ließe. Das ist eine vormoderne Auffassung. Sie galt schon im 19. Jahrhundert nur noch bedingt und ist spätestens seit dem 1. Weltkrieg veraltet.
Ursprünglich ist der Nationalismus selbst ein Teil der modernen Entwicklung gewesen. Nationale Vorstellungen richten sich im 18. Jahrhundert nicht gegen Fremdeinflüsse, sondern gegen die eigenen Oberschichten, Adel und Klerus, und fordern gleiche Rechte für alle Bürger. Höhepunkt dieser national-demokratischen Bewegung ist das revolutionäre Frankreich, das die rot-weiß-blaue Kokarde aufsteckt und die Marsellaise anstimmt („Allons enfants de la patrie …“). Auch in der 48er Revolution fungierte das Nationalgefühl noch als Fortschrittsmotor. Der Nationalismus ist eine historische Vorstufe des Liberalismus und Egalitarismus und kann daher niemals gegen Liberalismus und Egalitarismus ins Feld geführt werden. So dumm und „politikunfähig“ die heutigen Neonazis auch sein mögen, allein wegen ihrer Affinität zum NS sind sie allemal moderner und daher auch gefährlicher als der ganze übrige Teil des nationalen Lagers. Tatsächlich wird das nationale Lager überhaupt nur wegen seiner angeblichen Nähe zu den Neonazis in der Öffentlichkeit überhaupt noch zur Kenntnis genommen wird.
Als der Nationalismus sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen den Internationalismus zu kehren begann, geriet er automatisch in konservatives und reaktionäres Fahrwasser. 1918 ist es mit dieser Herrlichkeit vorbei. Auch wenn Stauffenberg und sein Kreis von einer Restauration träumten – Hitler hätte zehnmal tot sein können, und doch wären die alten Zeiten nicht wiedergekommen. Es gab nur die „Flucht nach vorn“ durch eine aggressive Politik, wie die Sowjetunion und die Westmächte sie im Dienste ihrer Ideen ebenfalls betrieben. Andernfalls hätte man sich an eine der anderen beiden Weltanschauungen anschließen müssen. Hitler nannte das „Kapitulation“.
Entsprechend schlossen sich die meisten Deutschen nach dem Krieg entweder den Marxisten oder den Liberalen an. Einige jedoch weigerten sich – zumindest innerlich. Sie wollten weiter „deutsch bleiben“ und mißverstanden dieses Deutschtum, das als Weltanschauung noch heimliche Chancen hatte, als nationales Bekenntnis. Damit waren sie mental in die Zeit vor 1918 zurückgewichen. Der Stauffenberg-Kult in diesen Kreisen ist kein Zufall. Man tat quasi so, als ob der Nationalsozialismus überflüssig gewesen sei. In Wirklichkeit war es aber der Durchbruch zur „modernen Antimoderne“.
Damit wären wir wieder am Anfang. Aus den verschreckten Deutschen von 1945 ist die „deutsche Rechte“ und der „deutsche Nationalismus 2012“ entstanden. Zu kritisieren sind daran nicht Äußerlichkeiten oder persönliche Unzulänglichkeiten, sondern die Weltanschauung selber ist falsch bzw. gar nicht vorhanden. Wenn in bezug auf die Bundesrepublik gesagt wird: „Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler“, so gilt mindestens ebenso: „Der deutsche Nationalismus hat keine Fehler, der deutsche Nationalismus ist der Fehler.“
Was ist nun aber mit den „Neonazis“? Auch sie hat es seit 1945 gegeben, sie haben sich nie um das Verbotene ihres Tuns gekümmert, ja dieses noch als Anreiz genommen. Und trotzdem folgten diese Kräfte dem gleichen Reflex des blitzartigen Rückzugs nach der Niederlage. Im Grunde unterscheidet sich das politische Denken der Neonazis nicht sehr von den Nationalen. Beide verbleiben in den Kategorien des 19. Jahrhunderts und lehnen die Globalisierung verständnislos und ohnmächtig ab. Beide haben sich auf eine reaktionäre, aber letztlich harmlose Position zurückgezogen, was Deutschland betrifft. Der Unterschied besteht darin, daß der Neonazi sein politisches Gartenzwerg-Idyll mit den Nationalsozialisten verbindet. Nur im kleinen Kreis darf man sich manchmal über die Brutalitäten der angeblichen Biedermänner freuen. Das gibt immerhin Hoffnung, daß manche es besser wissen.
Ein „Neonazismus“ ist genau genommen gar nicht möglich, weil man dann das gesamte Geschehen mitsamt der Niederlage wiederholen müßte. Man darf aber auch nicht wegen dieser Niederlage hinter die Frontlinie zurückweichen. Richtig wäre ein „post-nationalsozialistischer“ Standpunkt, der die damaligen Ereignisse voll verarbeitet hat. Dabei muß man sich nicht nur den Grausamkeiten stellen, sondern vor allem den entsprechenden Denkweisen. Der NS birgt eine völlig neue antihumanistische Denkweise, die bisher weder innerhalb noch außerhalb der Rechten ernsthaft diskutiert wurde. Und doch werden die Inhalte dieses Antihumanismus immer aktueller.
Es geht nicht darum, wie es in dem erwähnten Beitrag heißt, „neue Themenfelder“ zu öffnen, sondern einen neuen Denkstil und Gefühlshaushalt zu entwickeln. Weg vor allem mit der Sentimentalität – auch wenn sie deutsche Traditionen betrifft. Wir brauchen auch keine Nazi-Propaganda zu machen, denn die hat das Publikum inzwischen durchschaut.

Donnerstag, 29. März 2012

"Metaphysischer Nationalsozialismus"

Der Ausdruck „historischer Nationalsozialismus“ setzt voraus, daß es einen überzeitlichen Nationalsozialismus gibt. Es gibt sogar Leute, die von einem „metaphysischen Nationalsozialismus“ sprechen.

Gemeint ist vielleicht das Richtige. Doch von dem Wort „metaphysisch“ müssen wir uns trennen. Außer bei unverbesserlichen Scholastikern (katholischen Theologen) hat es spätestens seit Kant seine Bedeutung verloren. Auch das Wort „idealistisch“ führt in die Irre. Es löst beim Zuhörer die Vorstellung von Ohnmacht aus. Beide Begriffe scheiden uns von jeder modernen Weltanschauung und damit auch vom Nationalsozialismus.
Was heißt dann „überzeitlich“? Das ist vor allem das Religiöse. Neben dem historischen Nationalsozialismus gibt es demnach noch einen „religiösen“ (teilweise auch „esoterischen“) Nationalsozialismus.
Was ist aber das Religiöse? Das Religiöse bezeichnet die obersten Werte, die keine Ableitung mehr brauchen, sozusagen die Axiome. Welche Werte sind das im Nationalsozialismus? Etwa die Verehrung Hitlers? Nein: Hitler betonte selber, daß er keine religiöse Verehrung will.
Die absoluten Werte im Nationalsozialismus sind die biologischen Gesetze. Auch wenn stark zu bezweifeln ist, daß die Nationalsozialisten diese Gesetze immer richtig erkannten, steht doch fest, daß sie sich daran orientieren wollten. Die Geltung von Blut und Boden (Natur) als oberste Richtlinie dürfte unter Gegner und Anhängern unbestritten sein. Eben deshalb wird der Nationalsozialismus letztlich angegriffen.
Wenn also der historische NS die Ereignisse zwischen 1933 und 45 (samt Vorgeschichte) sind, dann ist der „ewige NS“ die Verehrung der Natur als oberste Autorität. Hält man sich daran, kommt man zwar nicht zwangsläufig zu den gleichen Ergebnissen wie die historischen Nationalsozialisten, doch man kommt garantiert zu Ergebnissen, die eine ähnlich entsetzte Reaktion hervorrufen.
Die Argumente, worauf sich die Gutmenschen mit ihrer Empörung dann beziehen, stammen wiederum aus einer metaphysischen Ecke. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel Thilo Sarrazin: er argumentiert gegen den Antisemitismus, daß die Juden biologisch besonders wertvoll und intelligent seien. Er verwendet also die gleichen biologistischen Maßstäbe, aber zieht andere Folgerungen. Ohne allgemeine Empörung kam er trotzdem nicht davon.

Metaphysik aus erster Hand: Aristoteles



Metaphysik aus zweiter Hand: Thomas von Aquin






Für die philosophisch Interessierten versuchen wir kurz, die historische Bedeutung von Metaphysik zu erklären. Erfinder ist der Grieche Aristoteles (um 350 v. Chr.). Er fügte seinen vielen naturwissenschaftlichen Schriften einige Bände über die „jenseitigen“ Dinge an. Da diese Schriften im Regal „nach der Physik“ zu stehen kommen, heißen sie „meta-physisch“.
Seitdem beschäftigt sich jeder Philosoph mit der Frage nach dem, was der Mensch nicht sehen und nicht erkennen kann. Zum Beispiel dem Anfang der Welt, dem Leben nach dem Tod und dem Ding an sich (wie die Dinge wären, wenn wir sie nicht durch unsere Brille sehen würden). Das führte zu ausgedehnten Spekulationen, die alle von der christlichen Kirche vereinnahmt und in ihre Bahnen gelenkt wurden.
Erst Immanuel Kant ging Ende des 18. Jahrhunderts an den Nachweis, daß der menschliche Verstand solche Fragen zwar stellt, aber sie grundsätzlich nicht beantworten kann. Metaphysische Fragen sind nach Kant eine Art Falle, die unser Denken sich selbst stellt. Hat man das einmal begriffen, umgeht man diese Fallen. Man beschäftigt sich nicht mehr mit der „absoluten Wahrheit“, sondern mit dem Geschehen auf dieser Erde.

"Zertrümmerer der Metaphysik": Kant






Friedrich Nietzsche hat diese Ansicht radikal bekräftigt. Er bezeichnet die metaphysischen Spekulationen als „Hinterwelten“. Sein Aufruf lautet dagegen: „Bleibt der Erde treu!“

Postmetaphysiker: Nietzsche

Zuzugeben ist, daß die Deutschen ein metaphysisches Volk sind. Daher versuchte Martin Heidegger, bei seiner Metaphysikbekämpfung die Metaphysik doch irgendwie zu retten. Zumindest eine Zeitlang plagte er sich mit einer neuen Auffassung dieses Begriffes ab. Ergebnis davon ist das Buch „Kant und das Problem der Metaphysik“, worüber er mit dem jüdischstämmigen Starphilosophen Ernst Cassirer und seiner Gemeinde scharf aneinander geriet, sowie der Vortrag „Was ist Metaphysik?“ Beides fällt in jene interessante Phase, wo der Autor von „Sein und Zeit“ sich der nationalsozialistischen Bewegung zuzuwenden begann (Ende der 20er Jahre). So kompliziert Heidegger Stellung zur Metaphysik auch ist, so einfach ist der Grund, weshalb er mit dem Nationalsozialismus schon bald nach 1933 schon wieder Probleme bekam: weil der NS ganz klar auf das moderne naturwissenschaftliche Weltbild setzte, während Heidegger bei aller Kritik der philosophischen Tradition verhaftet blieb oder bleiben wollte.

Religiös, aber nicht metaphysisch

Braucht man überhaupt Philosophie, um den NS zu verstehen? Nein – es sei denn, man wollte ihn aus seinem Gegensatz heraus verstehen. So sagt Ernst Nolte in seinem neuen Buch „Reflexionen“, die „Philosophie von Auschwitz“ sei „der Verlust der Transzendenz“. Und was bedeutet „Transzendenz“? Etwa das gleiche wie „Metaphysik“. Demnach ist der Nationalsozialismust für Nolte das genaue Gegenteil von Metaphysik.