Samstag, 30. Juni 2012
Montag, 11. Juni 2012
Noltes letztes Wort
Seit seinem Artikel vom 6. Juni
1986 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist Ernst Nolte gezwungen, sich
in nationalen Kreisen zu bewegen. Der „Historikerstreit“ hatte begonnen, und
die Etablierten fingen an, den Professor und Autor von „Der Faschismus in
seiner Epoche“ auszugrenzen. Das ist inzwischen nicht besser geworden, denn
Nolte trat mit den Jahren keineswegs zurückhaltender und angepaßter auf. Den
Höhe- und Schlußpunkt dieser Entwicklung bildet sein Buch „Späte Reflexionen“
(2012). In den gewagten Aphorismus wird sogar nach der „Philosophie von
Auschwitz“ gefragt. Nolte findet sie im „Widerstand gegen die Transzendenz“.
Wenn man weiß, daß unter „Transzendenz“ der Jenseitsglaube und das daraus
hervorgehende moderne Fortschrittsdenken zu verstehen ist, kann einem bei
dieser Definition schon Angst und Bange werden. Denn die Kritik am Fortschritt
und dessen katastrophalen Folgen gehört inzwischen zum Allgemeingut. Wenn die „Philosophie
von Auschwitz“ also der Widerstand gegen den sogenannten Fortschritt sein soll,
müßten heute den Tätern und nicht den Opfern Denkmäler gebaut werden.
Ernst Nolte |
Nolte ist inzwischen 89 Jahre alt.
Ihm kann nichts mehr passieren. Sein nationales Publikum ist da weit weniger
mutig. Immerhin: die Zeitschrift „hier & jetzt“ tut, was sonst kaum keiner
wagt. Sie bringt eine ausführliche Besprechung der „Späten Reflexionen“, die
auch den Historikerstreit noch einmal aufgreift. Man merkt allerdings, daß es
den meisten nationalen Lesern nie klar geworden ist, was Nolte eigentlich
thematisiert. So behauptet der Rezensent Arne Schimmer (NPD-Abgeordneter im
Sächsischen Landtag), daß man den „Historikerstreit hätte vermeiden können“,
wenn man anerkannt hätte, daß es in Deutschland zwei Gruppen von Historikern
gibt, die mit einer „konventionellen nationalen Identität“ und andere, die sich
einem „postnationalen Kosmopolitismus“ verpflichtet sehen. Was soll das heißen?
Ist Ernst Nolte etwa ein Historiker mit einer „konventionellen nationalen
Identität“? Und besteht darin sein Hauptinteresse?
Gerade Nolte hat doch den Begriff
des „europäischen Bürgerkriegs“ für die Zeit nach 1917/18 eingeführt und damit
festgestellt, daß spätestens von diesem Zeitpunkt an nicht mehr die nationalen,
sondern die ideologischen Gegensätze entscheidend sind. Inzwischen sind fast
100 Jahre vergangen und aus dem „europäischen Bürgerkrieg“ ist ein
„Weltbürgerkrieg“ geworden, in dem der Islamismus als „dritte radikale
Widerstandsbewegung“ aufgetreten ist. Davon handelt Noltes vorletztes Buch.
Ein intaktes oder weniger intaktes
Nationalbewußtsein spielt heute kaum noch eine Rolle. Denn selbständig handeln
können die Nationalstaaten sowieso nicht mehr. Ob also die Bundesrepublik
Deutschland weiterhin an Auschwitz knabbert oder sich von diesem Trauma
freigemacht hat, interessiert nur noch die „Holocaust-Industrie“, aber nicht
die Weltpolitik. Nur wer die Bundesrepublik maßlos überschätzt, kann glauben,
daß dieses Thema immer wieder aufgebracht werde, um „Deutschland
niederzuhalten“. Deutschland hat seit 1945 sowieso politisch nichts mehr zu
melden. Es ist nur noch ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort.
Die Vorstellung, die Arne Schimmer
vorbringt, daß man mit einem intakten, vom Auschwitz-Trauma befreiten
Nationalbewußtsein den Staat zusammenhalten könne über „Wohlfahrt und
Sozialtransfer hinaus“, ist eine komplette Illusion. Was man schon daran sieht,
daß andere Staaten ohne Auschwitz-Trauma genauso an ihren wirtschaftlichen
Problemen zerbrechen.
Wenn man Nolte nicht nur benutzen
würde, um die eigene nationale Identität zu pflegen, könnte man sich bei ihm über
die Grundproblematik moderner Gesellschaften informieren: Das
versprochene Paradies auf Erden blieb aus. Der Versuch, es in Rußland zu
errichten, schlug fehl und führte in den Terror (Gulag). Diese furchtbare
Enttäuschung, so meint Nolte, ist die unverzichtbare Voraussetzung, um den
nationalsozialistischen Terror zu verstehen. Der „Rückfall in die Barbarei“,
die man dem Nationalsozialismus vorwirft, findet bereits in dem Augenblick
statt, als die Wohltäter der Menschheit – die Marxisten als Erben des
Christentums und des Humanismus – gezwungen sind, zur Gewalt zu greifen, damit
ihre Herrschaft nicht zusammenbricht. Damit gelangt die Geschichte an einen
Wendepunkt, dem dann die Nationalsozialisten Rechnung tragen.
Nolte hat also keineswegs bestritten,
daß der Holocaust ein einzigartiges, dauerhaft wirksames Ereignis ist – nur muß
man ihn im Kontext der europäischen Geschichte sehen. Einzigartig und bleibend
ist das gesamte Ereignis, nämlich die historische Wende – eine brutale Version
von Heideggers „Kehre“ – weg vom modernen Fortschrittsmodell.
Einen nationalen Politiker interessiert
das weniger. Er muß – als nationaler Politiker – so tun, als könne die einzelne
Nation per Wahlentscheidung ihre Zukunft in sichere Bahnen lenken. Das kann sie
nicht, und das Volk scheint es instinktiv zu wissen. Es macht sich erst gar
nicht die Mühe, eine nationale Partei anzukreuzen.
Der Blinde führt die Blinden (Walter Heckmann 1991) |
Samstag, 9. Juni 2012
Deutsche Kinder
In der Reihe „Zeitungszeugen“
erscheinen regelmäßig Nachdrucke aus deutschen Zeitungen der Jahre 1933 bis 45.
Die Blätter sind jeweils unter einem Thema zusammengestellt und von einem
historischen Kommentar umgeben. Anfangs gab es dazu Nachdrucke
nationalsozialistischer Plakate in Hochglanz, doch das ist wohl inzwischen zu
teuer oder zu gefährlich geworden.
Trotzdem sind die „Zeitungszeugen“
sehr lesenswert. Immer wieder stößt man auf Aussagen, die vom gängigen
NS-Klischee befremdlich abweichen, aber den Vorteil haben, authentisch zu sein.
Wer hätte zum Beispiel gedacht, daß
im NS-Staat eine „beispiellose Geburtenverhinderung“ stattfand? Heute hört man
immer nur von dem Bestreben, von jeder deutschen Frau mindestens vier Kinder zu
gewinnen, und von der Erfindung der „Mutterkreuze“. Das paßt schlecht zu den
400 000 Sterilisationen, die auf staatlichen Druck zwischen 34 und 45
vorgenommen wurden. Und das sollte erst der Anfang sein.
„So wie die Dinge
liegen, ist nur noch eine Minderheit von Volksgenossen so beschaffen, daß ihre unbeschränkte
Fortpflanzung wertvoll für die Rasse ist“,
so erklärte Fritz Lenz, Professor
für Erblehre in Berlin 1934.
Fritz Lenz (1887- 1976) |
Nur eine Minderheit sollte sich
fortpflanzen, und zwar die genetisch Wertvollen. Die nach ihrem Sozialverhalten
sowie dem äußeren Erscheinungsbild als wertlos beurteilten „Volksgenossen“,
sollten hingegen unfruchtbar gemacht werden – notfalls durch Zwang. Zwar
gelangte diese Auffassung nur ansatzweise zur Durchführung, doch entspricht sie
der NS-Ideologie deutlich besser als die wahllose Förderung von Geburten nach
dem einzigen Kriterium der deutschen Abstammung.
Die Beweislast in der
Bevölkerungspolitik wird damit umgekehrt. Nicht wer keine Kinder hat, muß sich
dafür vor dem Volk rechtfertigen, sondern wer es wagt, Kinder zu produzieren,
muß sich nach seiner eigenen Beschaffenheit und seinen Verdiensten fragen
lassen. Zunächst klingt das, als ob der – damals schon zurückgehende –
Kinderwunsch durch eine solche Voraussetzung noch mehr schwinden würde. Doch
das Gegenteil könnte auf die Dauer der Fall sein. Wenn Kinder nur einer
Minderheit – also einer Elite – erlaubt sind, werden sie zum höchsten Statussymbol, anstatt
wie jetzt das Kennzeichen asozialer Verhältnisse zu sein.
Kinder sind kein Spaß, sondern Ernst |
Auf dem Sender Phoenix war neulich
eine Dokumentation über einen amerikanischen Staatsbürger zu sehen, der sich
die Freiheit nimmt, eine private „Menschenzucht“ zu betreiben. Er erfüllt
ausgesuchten Frauen ihren Kinderwunsch, indem er sie mit dem Samen
hochqualifizierter Männer befruchtet. Er schreibt diese Männer, deren Namen er
Wissenschaftsmagazinen und Firmenpublikationen entnimmt, gezielt an und bittet
sie um ihre „Spende“. Bei den meisten stößt die Anfrage auf sofortige
Zustimmung. Die Alpha-Männchen fühlen sich geschmeichelt, wenn sie für die
Fortpflanzung gezielt ausgesucht werden. Auch Frauen finden sich für dieses
Experiment offenbar genügend. Es ist einfach spannender, ein Kind zu bekommen,
wenn damit eine besondere Mission verbunden ist. Die „Produkte“, die in der
Sendung vorgestellt wurden, sind inzwischen im Teenager-Alter. Die meisten davon
beginnen bereits, die in sie gesetzten Hoffnungen zu bestätigen.
Bedenklich ist bei solchen Ansätzen
nur, daß das Auslese-Kriterium reichlich eindimensional ausfällt. Gezüchtet
wird für den Arbeitsmarkt von heute und morgen, der mit Sicherheit mehr
Hochbegabte fordert. Doch was ist mit den Fähigkeiten, die auch übermorgen noch
tragfähig sind oder gar eine Perspektive in die Zukunft schaffen? Die Frage
nach der „Rasse“, und was sie ausmacht, dürfte sich erst noch stellen.
Freitag, 8. Juni 2012
Blondi (Thomas Bernhard)
„Die sogenannte Tierliebe hat schon
so viel Unheil angerichtet, daß wir, wenn wir tatsächlich mit der
größtmöglichen Intensität daran denken würden, augenblicklich ausgelöscht
werden müßten vor Erschrecken. Es ist nicht so absurd, wie es zunächst
erscheint, wenn ich sage, die Welt verdankt ihre fürchterlichsten Kriege der
sogenannten Tierliebe ihrer Beherrscher. Das ist alles dokumentiert, und man
sollte sich diese Tatsache einmal klarmachen. Diese Leute, Politiker,
Diktatoren, sind von einem Hund beherrscht und stürzen dadurch Millionen
Menschen ins Unglück und ins Verderben, sie lieben
einen Hund und zetteln einen Weltkrieg an, in welchem Millionen getötet werden
wegen dieses einen Hundes.“ (Thomas Bernhard, Beton, Ffm. 2006, S. 49)
Blondi, fotografiert von Walter Frentz |
Und hier noch einige Informationen
zu Thomas Bernhard, einem der wichtigsten deutschen Nachkriegsautoren, dem wir die obigen Einsichten zum Wesen der Tierliebe verdanken:
Der größte deutsche Haßprediger nach
Hitler heißt Thomas Bernhard. Auch er stammt aus Österreich und hat einen
manierierten, monotonen, schwer erträglichen Sprachstil entwickelt, der süchtig
macht. Der Unterschied: Bernhard redet nicht, er schreibt. Gelernt hat er
nichts, erhebt sich aber mit Leichtigkeit über alle kulturellen Gepflogenheiten.
Sein Haßobjekt ist der Nationalsozialismus und alles, was damit zusammenhängt.
Alles kann bei Thomas Bernhard das
Attribut „nationalsozialistisch“ erhalten, wenn es nur furchtbar genug ist: die
Kirche natürlich, das Dorf, das Denken, das Gesicht eines Wirtes, das Theater,
die Landschaft, das ganze Österreich. Daß dem Dichter speziell das Salzburger
Land „nationalsozialistisch“ vorkommt, ist vielleicht kein Wunder, denn Adolf
Hitler stammt praktisch aus der gleichen Gegend und den gleichen deprimierenden
Verhältnissen. In seinem Reptilienhirn muß es ähnlich ausgesehenen haben. Der
Unterschied: Bernhard hat sich weit über dieses Stadium erhoben. Er lehnt alles
Heimatliche entschieden ab. – Die Frage ist dann allerdings: Warum entfernt
sich der gefeierte und gut verdienende Autor nicht aus dem
„nationalsozialistischen“ Österreich, um zum Beispiel in New York oder
wenigstens in Paris zu leben? Nicht einmal den Versuch dazu hat er unternommen,
sondern sich ausgerechnet im Salzburger Land einen Hof gekauft, um dort im
Trachtenzeug umherzulaufen. Spontan fällt einem der Berghof ein. Höchstens in
Wien ist Bernhardt anzutreffen, wo er in Caféhäusern sitzt, Zeitung liest und
an seinen Haßtiraden feilt.
Bernhard in seinem verhaßten Wien |
Wien ist Bernhard aus genau
entgegengesetzten Gründen verhaßt, wie es Hitler verhaßt war. Nämlich weil es
nicht großstädtisch und nicht kosmopolitisch genug ist. Immer wieder führt der
Dichter die Vorteile „echter Weltstädte“ gegen der „schmutzigen“ und „durch und
durch nationalsozialistischen“ Provinzialität von Wien an. Sitzt aber selbst
immer nur in Wien im Caféhaus und nie zum Beispiel in Rio in einer Bar, obwohl
er das könnte. Obwohl schon jeder zweite deutsche Rentner das tut.
Wer die „Romane“ gelesen hat, es
sind Haßreden in einer oberflächlich literarisierten Form, der kann sich über
den Grund nicht täuschen: Bernhard kann nur über seine Heimat schimpfen, weil
er nur die Heimat liebt. Einzig zu ihr hat er eine Beziehung. Nur hier
empfindet er überhaupt etwas. Nur hier hat er den richtigen Instinkt. Nur hier
kann er schreiben. Und schreiben bedeutet für Bernhard leben, wie für Hitler
leben kämpfen bedeutet hatte.
Wenn man es nicht aus Geheimnis aus
seinen Texten herauslesen könnte, so gäbe es für Bernhards Heimatliebe auch
einen offenkundigen Beweis: sein Frühwerk. Thomas Bernhard hat als positiver
Heimatdichter angefangen, der sich gegen die Moderne wandte. Das kann er nicht
leugnen, denn die Texte hat er an Verlage geschickt. Sie wurden fast alle
abgelehnt. Und in Erfolglosigkeit – wie sein schriftstellernder Großvater –
wollte der Jungautor auf keinen Fall enden. Er gierte nach Erfolg, was man von
vielen Künstlern sagen kann. Auch vom jungen Hitler. Der Unterschied: Dieser
hatte Erfolg, indem er seine innersten Obsessionen herausschrie. Sein Landsmann
hatte damit keinen Erfolg. Seine Heimatliebe war nicht gefragt im
Nachkriegs-Literaturbetrieb. Das Gegenteil was gefragt. Und so ist Thomas
Bernhard auf sein Konzept gekommen.
Es ginge nicht, wenn das, was er
sagt, glatt gelogen wäre. Er hat recht damit, daß das angeblich Echte und Alte
in den meisten Fällen längst zur Ware geworden ist. Er spielt das Motiv von
Adorno, daß es „nichts Wahres im Falschen“ gäbe, in allen Finessen durch. Wo
nur der Anhauch einer Vermarktung zu finden ist, verwirft Bernhard mit Lust das
gesamte Unternehmen. So muß die Hochkultur mit Mozart und Salzburger
Festspielen zu einer abstoßenden Farce werden. Doch so leidenschaftlich könnte
der Autor nicht über ein Popkonzert wüten, obwohl hier der Kommerz viel
deutlicher ist. In seinem Furor kommt die Bewunderung für das zum Ausdruck, was
Natur und Kultur an Spuren hinterlassen haben. Er kennt und erkennt noch das
Echte und kann daher gegen das Falsche aufbegehren. Doch das „Echte“, was
Bernhard zum Maßstab seines zerstörerischen Urteils macht, ist immer die
Heimat.
Die innere idealisierte Heimat
bildet das vernichtende Kriterium, das der Dichter an das wirkliche Wien, das
wirkliche Österreich, das wirkliche Landleben anlegt. Eine Gegenwelt aber hat
er nicht. Immer wieder versucht er, sich mit der Moderne zu identifizieren.
Zwei Gestalten bilden dabei die tragende Rolle: der Philosoph Ludwig
Wittgenstein und der Pianist Glenn Gould. Beinahe werden von Bernhard in einer
beinahe sakralen Weise gewürdigt. Beide sind jüdischer Herkunft und stehen für
eine unheimliche Hyperintellektualität. Bernhards Zugang zu diesen
selbstgewählten Helden bleibt in skurriler Weise äußerlich. Während die Typen
seiner Umgebung plastisch und eindringlich beschrieben werden, erscheinen
Wittgenstein und Gould wie riesige Schatten, deren Gesichter der Dichter nie
erkennt. Sie sind die „Giganten“ – doch der Inhalt von Wittgensteins
Philosophie wird ebenso wenig zum Thema wie die Bach-Interpretation von Glenn
Gould. Es ist klar, daß sich der Dichter hier zwei Götzen erschafft, um eine
Alternative zur Heimat zu konstruieren, was aber nicht einmal im Ansatz
gelingt.
„Auslöschung“ heißt der vielleicht beste Roman. Das Wort „Auslöschen“ überbietet an Radikalität noch
die „Vernichtung“ und stammt zweifellos aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“. Wie
überhaupt das Prinzip der „Übertreibung“, das als Hauptstilmittel Bernhard
gilt, auch für das nationalsozialistische Vokabular kennzeichnend ist.
Ausgelöscht werden soll aber nicht der Feind, sondern umgekehrt das Eigene –
wobei es vielleicht zum letzten Mal als solches kenntlich wird. Auf Schritt und
Tritt merkt man, daß Bernhard mit seinem Heimathaß einer schleichenden Heimatvernichtung
nur zuvor kommt, die er sowieso nicht mehr verhindern kann: „Die Regierung betreibt eine ungeheure Vernichtungsmaschine“,
schreibt er, „in welcher alles vernichtet
wird, was mir lieb ist.“ Oder: „Die
Auslöscher und die Umbringer bringen die Städte um und löschen sie aus und
bringen die Landschaft um und löschen sie aus.“ Oder auch: „Immer und immer wieder sage ich mir, wir
lieben dieses Land, aber wir hassen diesen Staat.“ Gleich darauf kommt
wieder die Distanzierung von den „Blutsordenträgern,
den SS-Obersturmbannführern an ihren Krücken, den nationalsozialistischen
Helden“, obwohl doch diese „Helden“ ihren Haß – Bernhards Haß – auf den
„Staat“, der „die Städte und die Landschaft vernichtet und auslöschet“ mit
ihrer Vernichtung und Auslöschung vergolten hatten oder es zumindest
versuchten. Diese Gemeinsamkeit aber kann Bernhard nicht sehen oder darf er
nicht sehen, wenn er denn nach 1945 Erfolg haben will.
Freitag, 1. Juni 2012
Nachricht 7
Der neue Bundespräsident
hat überraschend bewiesen, daß sein Amt doch nicht ganz überflüssig ist. In
einem Interview mit der „Zeit“ hat sich Gauck anläßlich eines Antrittsbesuchs
in Israel von seinem Vorgänger Christian Wulff distanziert. Im Unterschied zu
Wulff ist Gauck nicht der Meinung, daß der Islam zu Europa gehört. Jedenfalls
nicht eindeutig. Für Gauck bleibt ein Zweifel, deshalb hätte er die Formulierung
seines Vorgängers nicht gewählt.
Wer sich über die Wahl
Gaucks freute und von ihm – als Berufsantikommunisten – einen gewissen konservativen
Impuls erwartete, kann sich bestätigt fühlen. Der neue Bundespräsident bezieht
nicht nur Stellung, er bezieht sogar Stellung gegen Multikulti Stellung.
Zumindest im Ansatz. Schon werfen führende Muslime ihm „mangelnde
Geschichtskenntnis“ vor und verweisen auf die früheren islamischen Einflüsse in
Europa. Solche Bereicherungen gibt es zwar (gern genannt wird Goethes „West-östlicher
Diwan“), aber es ist wohl keine Frage, daß Europa und auch Goethe gut ohne den
Islam fertig geworden wären. Die Grundlagen der europäischen Kultur sind die alten
Griechen und das Christentum. Die Araber nicht.
Genau darin besteht heute
die Stärke des Islam, daß dessen Kultur relativ wenig mit der europäischen
verbunden ist. Darauf beruht der Stolz der Muslime, daß sie dem europäischen
Liberalismus und Atheismus eine theokratische Tradition entgegensetzen können.
Nur als Antithese zum westlichen (also europäischen) Modell ist der Islam heute
wieder attraktiv. Die Muslime dürften sich also nicht gegen Gauck wenden,
sondern hätten sich gegen Wulff wenden müssen, der behauptete, zwischen dem
dekadenten Europa und der arabischen Welt bestehe kein wesentlicher Unterschied.
Da die Moslemvertreter
nicht dumm sind, kann der Grund ihrer Verärgerung nur taktisch sein. Nicht aus
inhaltlichen Gründen protestieren sie, sondern um die offenen Worte des deutschen
Staatsoberhauptes politisch für sich auszubeuten. Aha, der Bundespräsident
bezeichnet den Islam als fremd (was eigentlich gerade seine Stärke ist), also
muß Deutschland mehr für die Integration tun, sprich mehr Geld für Moslems
ausgeben.
Die entscheidende Frage
lautet deshalb: Was will Gauck mit seiner Äußerung bewirken, daß der Islam
nicht zu Europa gehört (was sachlich ohnehin klar ist)? Darauf liefert das „Zeit“-Interview
bereits die Antwort. Er könne diejenigen verstehen,
sagt Gauck, die fragen:
„Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er
die AUFKLÄRUNG erlebt, gar eine REFORMATION?“
Der Bundespräsident möchte also diejenigen
in Deutschland vertreten, die noch auf die Werte der Aufklärung und der
Reformation setzen, wie es der Philosoph Jürgen Habermas immer wieder getan hat.
Er möchte kämpferisch die Moderne gegen deren Verächter verteidigen
und sieht Deutschland als festen Teil der westlichen Wertegemeinschaft mit
einer besonderen Verantwortung, sich gegen autoritäre und inhumane
Entwicklungen zu wehren. Genau das hat Gauck mit seinem Israel-Besuch deutlich
gemacht. Wenn er sich nun gegen den Islam wendet, so sieht er den wachsenden
islamischen Einfluß in Europa als bedenklichen Rückfall in jene autoritären und
inhumanen Verhaltensweisen. Sie müssen nicht immer von den Nazis ausgehen.
Die Frage
ist, ob die Konservativen, soweit sie Gauck unterstützt haben, sich wirklich freuen
können. Gauck liegt eindeutig auf der Linie von Habermas und der „kommunikativen
Vernunft“. Er ist ein typischer Vertreter der Totalitarismustheorie, das heißt,
alles ist böse, was nicht liberal ist. Er ist gegen eine religiöse Autorität,
wie sie vom Koran oder auch vom Papst ausgeht, und für die protestantische
Gewissensfreiheit. Ist das konservativ? Zwar ist es konservativ im Vergleich
mit einem schrankenlosen Multikulti, gegenüber dem Islam ist es jedoch
eindeutig modern und „zersetzend“.
Der Fall
Gauck zeigt erneut, daß es unmöglich ist, innerhalb des bestehenden politischen
Diskurses eine Position zu finden. Um weiterzukommen, müssen wir diesen Diskurs
sprengen. Denn wer für Wulff ist, öffnet den Interessen der moslemischen
Einwanderer Tür und Tor. Wer hingegen für Gauck votiert, verteidigt genau die
Ideologie, die Europa zugrunde richtet. Das ist nämlich nicht der Islamismus –
der könnte höchstens die Früchte ernten – sondern es ist jener europäische
Geist, den Gauck mit Habermas gegen den Einbruch des Fremden verteidigen will. Und
wie könnte man diesen Diskurs sprengen? Nur durch das Erwachen des FREMDEN in
uns selbst – IM EUROPÄISCHEN ERBE.
Wer sich
auf den Anti-Islamismus (auch in der moderaten Form von Gauck) einläßt, muß
selbstverständlich für Israel sein. Nicht unbedingt für die aktuelle Politik
von Israel, obwohl es da auch schwierig ist, sich zu distanzieren, aber vor
allem für die „Holocaust-Religion“. Denn diese Religion – und längst nicht mehr
die Ideen von „Aufklärung und Reformation“ – steht heute in Konkurrenz mit der
islamischen Reaktion. Schließlich ist der neue Bundespräsident nicht zum Grab
von Martin Luther oder von Immanuel Kant gepilgert, auch nicht von Voltaire, sondern
nach Yad Vashem.
Montag, 14. Mai 2012
Urheberrecht
Das Urheberrecht für „Mein Kampf“
läuft in Kürze ab. Das Buch auf der Straße zu verteilen, wie es die Moslems
gerade mit dem Koran machen, wird in Deutschland weiterhin nicht erlaubt sein.
Aber in Griechenland zum Beispiel müßte es gehen. Dabei ist es ziemlich
egal, was in dem Buch drinsteht, oder ob es jemand liest. Der bloße Titel
bewirkt – ähnlich wie beim Koran – Angst und Schrecken.
"Mein Kampf" in Übersetzungen |
Die griechischen Nationalsozialisten ("Goldene Morgendämmerung"), die am 6. Mai ins Parlament gewählt wurden, sind kein Einzelfall. Sogar an weltabgelegenen Orten finden sich vereinzelt „neonazistische“ Aktivitäten.
Folgende Informationen stammen aus einem Artikel der linken Wochenzeitung „der
freitag“ vom 03. August 2010:
„Ultranationale Gruppen wie das
"Weiße Hakenkreuz" verehren den Nationalsozialismus und mobilisieren
gegen gesellschaftliche Randgruppen. Ihr größtes Feindbild ist China.
Sie führen die rechte Hand an die
schwarzgekleidete Brust, dann schnellt der Arm zum Gruß an die Nation nach
vorne: „Sieg Heil!“ Sie preisen Hitlers Hingabe an die ethnische Reinheit,
dabei entsprechen sie mit ihren hohen Wangenknochen, ihren dunklen Augen und
der braunen Haut nicht gerade dem arischen Ideal des Dritten Reichs.
Nichtsdestotrotz hat eine neue Form des Nazismus eine ungewöhnliche Heimat
gefunden: die Mongolei.
Das westliche
Demokratie-Modell verliert in den aufstrebenden Ländern des Subkontinents an
Überzeugungskraft.
Gruppen wie
Tsagaan Khass („Weißes Hakenkreuz“) stilisieren sich als Patrioten, die sich
gegen Kriminalität aus dem Ausland, maßlose Ungleichheit, Gleichgültigkeit
seitens der Politik, gegen Korruption und für die kleinen Leute einsetzen. Doch
ihre Kritiker werfen ihnen vor, Unschuldige zum Sündenbock zu machen und zu
attackieren.
Die Anführer von Tsagaan Khass behaupten von sich, Gewalt nicht zu
unterstützen, obgleich sie selbst ernannte Nazis sind. „Wir haben Respekt vor
Adolf Hitler. Er hat uns gelehrt, wie man nationale Identität schützt“, erklärt
ein 41-jähriges Gründungsmitglied, das sich selbst Big Brother nennt.
„Wir müssen als Nation gewährleisten, dass
unser Blut rein ist. Das ist eine Frage der Unabhängigkeit“, erklärt der
23-jährige Battur und weist darauf hin, dass die Mongolei weniger als drei Millionen Einwohner hat. „Wenn wir
uns mit den Chinesen vermischen, werden sie uns langsam verschlingen. Die mongolische Gesellschaft ist nicht besonders reich.
Fremde kommen mit viel Geld und könnten sich unsere Frauen holen.“
Big Brother
bekennt, dass er mit diesem Gedankengut durch nationalistische Gruppen in
Berührung gekommen sei, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in Russland
entstanden. Die Mongolei zählte damals zu den Satellitenstaaten.“
Wörter wie „Chrysi Avgi“ und „Tsagaan Khass“ klingen richtig nach „Kanake". Man kann sie kaum aussprechen. Und doch kommt die
Hoffnung eher von dort als aus Mecklenburg oder Sachsen. Schon weil hier immer mehr Alte
sind, und dort junge gesunde Männer in Scharen darauf warten, von irgendwem
gebraucht zu werden. Der Kapitalismus braucht sie nicht mehr. Soll man sie dem
Koran überlassen?
Über den berühmtesten Mongolen bemerkte
Adolf Hitler am 22. August 1939 vor den Oberbefehlshabers der Wehrmacht:
„Unsere Stärke ist unsere Schnelligkeit und
unsere Brutalität. Dschingis Khan hat Millionen Frauen und Kinder in den Tod
gejagt, bewußt und fröhlichen Herzens. Die Geschichte sieht in ihm nur den
großen Staatsgründer. Was die schwache westeuropäische Zivilisation über mich
behauptet, ist gleichgültig.“
Bruder im Geiste: Dschingis Khan |
In „Mein Kampf“
stehen solche Sätze nicht. Das Buch ist vor allem als Propaganda gedacht.
Immerhin herrscht hier nicht so ein Durcheinander wie im Koran.
Mittwoch, 9. Mai 2012
Eichmanns Ende
Gestern kam in 3 Sat noch einmal
„Eichmanns Ende“, ein Dokumentarfilm von 2010. Danach die „Wannseekonferenz“,
ein Dokudrama (Spielfilm) von 1984.
Wie kommt es, daß einem die
Bösewichte in solchen Filmen menschlich immer so angenehm sind? Der
Schauspieler Herbert Knaup wirkt als Adolf Eichmann richtig sympathisch. Liegt
es daran, daß man voreingenommen ist (daß man es so sehen will)? Liegt es
daran, daß die Filmemacher mit Absicht „gegen den Strich“ inszenieren, damit
die Sache nicht so langweilig wird? Ein teuflischer Eichmann würde das Publikum
nur enttäuschen, das wußte schon Hannah Arendt. Oder liegt es etwa daran, daß
die Nazis wirklich so sauber und anständig waren??
Nichts von alledem: Die persönliche
Integrität dieser Figuren ist einfach darauf zurückzuführen, daß sie einer
Generation angehörten, wo man (egal ob Nazi, Kommunist oder Liberaler, ob
Pfarrer, Maurer oder Beamter) im Normalfall (von Ausnahmen abgesehen) noch
„anständig“ war und nicht so verkommen, wie wir es heute allesamt sind. Wir
sind heute nicht deshalb verkommen, weil wir die falschen Werte haben oder
nicht mehr an Gott glauben, sondern weil uns hundert Fernsehprogramme, hundert
Schokoriegel und hundert Freunde auf Facebook korrumpieren. Wir sind in jedem
Sinne „zugemüllt“ und schon selbst zum Abfall geworden.
Noch unter Adenauer waren die Leute
„sauber“. Und selbst Rudi Dutschke oder Ulrike Meinhof sind als „anständige
Menschen“ angetreten. Man braucht sie nur anzusehen. Es sind Leute, die als
Kinder noch stillsitzen mußten. Es ist tatsächlich der Bruch von 1968, durch
den sich der ganze Habitus ändert. Der Beginn liegt viel früher, doch
da ist es offensichtlich geworden.
Wer im Müll lebt, und das tut auch
der, der ihn ständig wegzuräumen versucht, dem merkt man das an. Erst in der
Kleidung, dann in der Haltung, dann in der Figur und schließlich auch im
Gesicht. So weit sind wir allerdings noch nicht. Sonst würden sich nicht immer
wieder Schauspieler finden, die im Stande sind, den verschwundenen
Menschentypus so überzeugend darzustellen. Die Substanz ist noch da. Die Leute
müssen nur in ein anderes Kostüm schlüpfen, einen anderen Text reden, und schon
sind es wieder die alten.
Eichmann in Jersulem 1961 |
Eichmann im Film 2010 |
Auch das kann sich über eine
evolutionäre Anpassung an die totale Zivilisation, sprich durch die negative
Selektion, eines Tages ändern. Es braucht gar nicht so lange zu dauern, dann
sehen die Menschen nicht nur anders aus und handeln anders, sondern sind
tatsächlich andere. Und das bei einem „rein arischen“ Stammbaum.
Mittwoch, 2. Mai 2012
Schädelvermesser
Das neueste Buch von Richard
Dawkins gegen die Kreationisten trägt den Titel „Die Schöpfungslüge“. Es sind
aber noch andere Lügen, die dort wieder einmal zum Vorschein kommen.
Wie gewohnt erklärt Dawkins die
komplizierten Indizien, die für Darwins Evolutionstheorie sprechen, und
widerlegt die rührend naiven Vorstellungen der Bibelgläubigen. In Kapitel 7
begegnet uns eine schöne Ansammlung von Schädelbildern. Sie gehören zu den
verschiedenen „Urmenschen“, genauer den Zwischenstufen von Affe und Mensch. "Fehlende
Menschen? Sie fehlen nicht mehr“, heißt das Kapitel. Die Kreationisten
argumentieren besonders gern mit dem „Missing link“ zwischen Affe und Mensch.
Dawkins entwirft einen amüsanten Dialog mit einer Kreationistin namens Wendy,
die nicht einsehen will, daß es ein solches „Verbindungsglied“, das weder Affe
noch Mensch bzw. beides zugleich ist, per definitionem nicht geben kann. Die Forscher
bemühen sich nämlich, jeden Fund entweder der einen oder der anderen Seite
zuzuordnen, da Mensch und Affe nun einmal die Spezies sind, von denen wir
ausgehen. So schafft die Wissenschaft erst jene Eindeutigkeit, die Wendy für
einen Beweis hält, daß es eine kontinuierliche Entwicklung vom Affen zum
Menschen nicht gegeben habe.
Besonders interessant ist das
Kriterium, wonach die Wissenschaftler ihre Zuordnung vornehmen. Dieses Kriterium
ist in erster Linie die Schädelform, und zwar das Verhältnis zwischen
Hinterkopf und vorderer Gesichtshälfte.
Neanderthaler |
Steinheimer Urmensch |
Australopithecus |
Homo sapiens |
Nun ist das Wort „Schädelform“
politisch derart verrufen, daß man es nur mit einem gewissen Schauern lesen
kann. Habe ich mich durch die Lektüre solcher Seiten nicht bereits strafbar gemacht?
Wenn wenigstens der evolutionsbiologische Zusammenhang ein völlig anderer wäre
als bei den rassistischen „Schädelvermessern“, so daß es sich bloß um ein
zufälliges Zusammentreffen handelte, wenn hier von Hinterköpfen und deren
Ausprägung die Rede ist. Doch leider funktioniert die Argumentation bei Dawkins
und seinen Fachkollegen ganz genauso wie bei Dr. Mengele: Je stärker bei einem
aufgefundenen Schädel der Hinterkopf ausgeprägt ist, und das läßt sich messen,
desto näher soll die entsprechende Spezies dem Homo sapiens in der Entwicklung
stehen. Je niedriger umgekehrt der Hinterkopf und je weiter vorgeschoben der
Unterkiefer ist, desto „affenähnlicher“ soll das Lebewesen sein.
Das Kritierum ist nicht etwa
ästhetisch zu verstehen. Dawkins würde niemals behaupten, daß der Mensch „schöner“
oder „besser“ sei als der Affe. Fakt ist aber, daß sein Gehirn ein mehr als
doppelt so großes Volumen hat. Und eine größere Gehirnmasse benötigt zur
Unterbringung einen entsprechend ausgeweiteten Hinterkopf. Damit der Schädel aber
insgesamt nicht zu schwer wird (Schädelknochen sind die dicksten Knochen),
bildet sich der Unterkiefer in gleichem Maße zurück.
Die geistige Überlegenheit oder
Unterlegenheit an der Schädelform abmessen zu wollen, ist demnach nicht
abenteuerlich oder absurd, sondern zumindest naheliegend. Trotzdem muß es im
Hinblick auf die menschlichen Rassen nicht das richtige Kriterium sein. Es könnten
andere kompliziertere Zusammenhänge vorliegen. Das wäre zu untersuchen. Statt
dessen wird aber die Schädelmessung rein polemisch als Zeichen kompletter
wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit hingestellt. Die ideologischen Fragen in
der Biologie betreffen mit Sicherheit nicht nur den Kreationismus. Und obwohl
Dawkins mit Recht darauf hinweist, wie mächtig die Fundamental-Christen in den
USA heute sind, gibt es durchaus noch mächtigere Gruppen, die bis in die
Naturwissenschaften hinein ihren Aberglauben verbreiten.
Selbst Richard Dawkins, der nicht
zu den ausgesprochenen Gutmenschen gehört, hält es für nötig, einer politisch „mißverständlichen“
Interpretation seiner Ausführungen vorzubeugen. Man darf es nie vergessen: Das Schlimmste,
was heute passieren könnte, wäre ein renommierter Biologe mit „rechtsextremen“
Ansichten. Solche Ansichten dürfen nur Nicht-Biologen äußern wie der Extremist
Jürgen Rieger oder der Populist Thilo Sarrazin, die schon auf Grund mangelnder Ausbildung
wissenschaftlich nicht ernst zu nehmen sind.
Echte Wissenschaftler müssen sich davon
abgrenzen, sonst würden sie ihre Autorität einbüßen. Und nicht zuletzt wegen der
Autorität hat der Wissenschaftlicher seine schwierige Ausbildung gemacht. Deshalb
kommt in dem fiktiven Dialog auch folgende Stelle vor:
Wendy: „Die Philosophie der Evolution kann zu Ideologien führen, die für die
Menschen so zerstörerisch gewesen sind…“
Richard: "Ja, aber wäre es da nicht ein guter Gedanke, nicht nur auf die
falsche Deutung des Darwinismus hinzuweisen, der politisch heimtückisch
mißbraucht wurde, sondern den Darwinismus zu verstehen? Dann wären sie in der
Lage, diesen entsetzlichen Mißverständnissen entgegenzutreten.“
Auch Richard Dawkins macht also
die Verbeugung vor der Menschenrechtsideologie und läßt sich dabei so weit
verdummen, daß er allen Ernstes behauptet, wir sollten uns mit der
Evolutionslehre beschäftigen, um dem Rechtsextremismus vorzubeugen: „Genetik
gegen rechts“.
Sicher ist es nicht falsch,
pseudowissenschaftlichen Rassisten mit korrekten biologischen Argumenten entgegenzutreten.
Doch beherrschen ja nicht die pseudowissenschaftlichen Rassisten die
öffentliche Meinung, wie es vielleicht zwischen 1933 und 45 in Deutschland einmal der
Fall war, sondern es sind die Menschenrechtsideologen, die inzwischen fünfmal
so lange und in der ganzen Welt die öffentliche Meinung beherrschen. Und die
Kreationisten setzen der Humanitätsduselei noch die Krone auf, indem sie
behaupten, die Erde sei für den Menschen da. Das weiß Dawkins ganz genau, sonst
würde er nicht unverdrossen den Darwinismus propagieren. Trotzdem macht er etwa
in der Mitte seines Buches den obligatorischen Rückzieher. Warum? Nachdem er sogar
im Ruhestand ist, kann dem Wissenschaftler niemand mehr etwas anhaben. Doch hat
er die „politische Korrektheit“ so weit verinnerlicht, daß sein eigenes
Gewissen ihn zu solchen Einlassungen zwingt.
Das Wort „verinnerlichen“ stammt
aus der Psychologie, das Wort „Gewissen“ aus der Theologie, aber beides ist von
der herrschenden Ideologie keineswegs so unabhängig, wie behauptet wird. Das
Gewissen als verinnerlichte herrschende Ideologie läßt sich nur negieren, wenn
man innerhalb eines geschlossenen Kreises von Leuten lebt, die die herrschende
Ideologie ebenfalls nicht teilen. Das ist bei Dawkins sicher nicht der Fall. Er
lebt trotz seiner ketzerischen Art („The Devil’s Chaplain“) inmitten der
etablierten Meinungsführer. Und nur da kann er eine Wirkung auf die öffentliche
Meinung ausüben. Wer innerhalb jenes Kreises von Andersgläubigen lebt und
sich von der herrschenden Zensur völlig frei gemacht hat, der ist automatisch
auch in dem berühmten „Ghetto“, aus dem heraus keine nennenswerte Wirkung mehr
möglich ist, weil alle Wege nach draußen abgeschnitten sind. Macht man sich
diesen Zusammenhang klar, dann scheint es keine Hoffnung zu geben. Es gibt aber
Hoffnung, weil es die historische Entwicklung gibt. Wie die Evolution bringt
sie Dinge hervor, die sich vorher niemand träumen läßt.
Was aber die übelste Folge der
Abgrenzung ist: Heute schwärmen fast nur noch diejenigen von der überlegenen Intelligenz
der Weißen, die dafür das allerschlechteste Beispiel sind. Denn die wirklich
Intelligenten haben längst begriffen, wie sehr ihnen solche Ansichten schaden. Eine
Dummheit der Rassisten besteht zum Beispiel darin, die (wahrscheinliche)
Herkunft des Menschen aus Afrika zu leugnen, weil sie nicht gern „vom Neger
abstammen“ wollen. Wie bei Dawkins dargetan, sprechen aber alle bisherigen
Knochenfunde für Afrika als die „Wiege der Menschheit“. Alle Menschenrassen
stammen demnach aus der gleichen Horde, die einst in Afrika sozusagen von den
Bäumen herunter kletterte. Einige von ihnen sind dann weitergewandert und haben
sich dabei allmählich von der Urform wegentwickelt. Sie sind bei abnehmender
Sonneneinstrahlung ausgeblichen und nahmen die gelbe oder weiße Hautfarbe an.
Ihre Schädelform veränderte sich und möglicherweise auch ihre Denkungsart.
Warum sollte ein weißer Rassist das leugnen? Weil manche eben nicht bis drei
zählen können.
Donnerstag, 26. April 2012
Friedrichjahr 2012
Im Zeughaus-Kino lief gestern abend
der „Große König“ von Veit Harlan (1943). Die Filmreihe über Friedrich II.
ergänzt die Ausstellung des Deutschen Historischen Museum (DHM) im
Friedrichjahr 2012. Selbstverständlich ist dafür gesorgt, daß nicht wieder eine
„Glorifizierung“ daraus wird. Vor Beginn des Films findet deshalb jedesmal eine
historische Einführung statt.
Bei Friedrich II. fällt wohl jedem
inzwischen das Gemälde ein, das im Führerbunker hing. Man kennt es spätestens
aus dem Film „Der Untergang“. Und jeder weiß auch, warum Hitler sich gegen Ende
an dieses historische Vorbild klammerte: weil auch Friedrich im Siebenjährigen
Krieg zeitweise Grund zum Verzweifeln hatte und gegen eine Übermacht von
Feinden antrat, um schließlich doch noch zu siegen. Im Harlan-Film wirft einer
der Generäle dem König vor, „die Vorsehung herausgefordert“ zu haben. Solche
Befürchtungen wirken im Nachhinein sehr eindrucksvoll – nur weiß man es vorher
nicht. Die Gefahr ist, daß der Film das historische Wissen vorwegnimmt, doch
die Szene, in der Friedrich sich am Ende wähnt, ist sehr realistisch getroffen.
Auch das Volk hatte sich nach Kunersdorf gegen ihn gewendet.
In der Ausstellung gibt es einen
Hinweis, wie weit die Identifikation Hitlers mit Friedrich II. tatsächlich ging.
Sie begann nicht erst mit dem Krieg. Schon 1931 gab es im Braunen Haus ein
Porträt von Friedrich hinter dem Schreibtisch. Im Salon der Alten Reichskanzlei
tauchte es 1934 wieder auf. Im Berghof ist es das Bild des Kronprinzen
Friedrich, gemalt von Anton Pèsne, das ab 1936 über dem Kamin hängt. Das
Gemälde aus der Alten Reichskanzlei wird ab 1942 bei jedem Quartierwechsel im
Flugzeug mitgeführt und hängt schließlich im Bunker. Kurz vor dem Ende schenkte
Hitler es dem Piloten Hans Baur, und auf der Flucht ging es verloren. Dabei soll es sich um eine zeitgenössische
Kopie des Gemäldes von Anton Graff von 1781 gehandelt haben. Das Original ist
in der Stiftung Preußischer Schlösser bis heute erhalten.
Diese Geschichte ist in einer Art
„Hitler-Ecke“ in der Friedrich-Ausstellung im DHM dokumentiert. Im Katalog
findet sich die Bemerkung: „Vermutlich schon vor dem Ersten Weltkrieg entdeckte
der Österreicher A.H. den Preußen Friedrich II. für sich als Vorbild:
Staatslenker, Feldherr, Bauherr und Künstler.“
Demnach hätte Hitler schon vor dem
Entschluß, Politiker zu werden, sich einen König und Feldherrn zum persönlichen
Vorbild genommen. Das ist eine kühne Vermutung. Es stimmt allerdings, daß die
Friedrich-Begeisterung schon viel früher beginnt als die historische Parallele
zum Siebenjährigen Krieg. Es gibt nämlich noch eine andere Parallele, die in
einem weniger bekannten NS-Film dargestellt wird – natürlich ohne jede
Anspielung auf den Führer. „Der alte und der junge König“ von Hans Steinhoff
(1935) schildert den Vater-Sohn-Konflikts Friedrichs mit dem Soldatenkönig
eindrucksvoll und drastisch. Denkt man sich den Königstitel weg, so ist der
Vater Friedrichs II. ein eher beschränktes Gemüt und zudem regelmäßiger
Trinker. Das „Tabakskollegium“, wo er jeden freien Abend verbringt, erweist
sich als Saufgelage. Sicher ist Friedrich Wilhelm I. ein tüchtiger und
erfolgreicher Monarch, und entsprechend strotzt er vor Selbstbewußtsein. Wie
alle Spießer ist er unfähig, irgendeine andere Existenzform neben sich
anzuerkennen, und glaubt, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Diese
Wahrheit besteht aber nicht zuletzt in der Schätzung des Geldes als obersten
Maßstab. Seine Sparsamkeit nutzt er auch zur Drangsalierung der Familie.
Über Adolf Hitlers Vater wissen wir
wenig. Nach den Hinweisen haben wir es aber mit einem „Soldatenkönig“ im
Mini-Format zu tun. Selbstbewußt durch seine beruflichen Leistungen,
regelmäßiger Kneipengänger, seine Familie schikanierend und allem Höheren
völlig abgeneigt. Erinnerlich ist Hitlers Beurteilung Himmlers: tüchtig, aber
„ein völlig amusischer Mensch“ und deshalb nicht vertrauenerweckend. Daraus
spricht die Abneigung gegen den Typus des Vaters, des praktischen
Tatsachenmenschen, der seinen Sohn Adolf „nicht verstand“. Mit dem Vater sah
der Knabe eine Macht sich gegenüber, die ihm im Grunde ihres Wesens fremd war. In
dieser Gestalt trat die grausame Wirklichkeit erstmals dem Träumer gegenüber.
Und genau so war es dem Kronprinzen ergangen. Der Vater war ihm wesensfremd und
hatte doch die Macht über ihn. Er herrschte unerbittlich und ließ den Jüngeren
in ohnmächtiger Wut zurück.
Emil Jannings als Soldatenkönig |
Und dennoch hat der Vater recht.
Das hatte Friedrich nach der Hinrichtung seines Freundes Katte in der Festung
Küstrin endgültig begreifen müssen und sich daraufhin in erstaunlicher Weise
gewandelt. Der vorher kunstinteressierte, kultivierte und sensible Prinz
beschäftigte sich plötzlich intensiv mit Wirtschaft und Politik, wurde ein
vorbildlicher Soldat – und entwickelte eine Härte und Entschlossenheit, die man
nie von ihm erwartet hatte. Was zeigte das? Charakterlich hatte er sehr wohl
etwas von seinem Vater mitbekommen. Und der Schwärmer in ihm muß einsehen, daß
ihm die hohen Ansprüche nichts nützen, wenn er nicht die Fähigkeit hat, diese
Ansprüche auch durchzusetzen. Friedrich integriert quasi die beschränkte, aber
starke Gestalt seines Vaters in die eigene weit gespannte Persönlichkeit und
erreicht dadurch erst die spätere politische Wirksamkeit.
Nun ist Hitlers Jugendfreund August
nicht hingerichtet worden, sondern Adolf hat sich selbst von ihm getrennt, um die
hohen Erwartungen des Freundes nicht schmählich enttäuschen zu müssen. Das war
in den ersten Jahren in Wien, als die künstlerischen Hoffnungen gescheitert
waren. Nachdem also der Vater relativ früh verstarb, hatte die harte Realität
selbst die Erziehung des jungen Mannes übernommen. Ähnlich wie Friedrich mußte
Adolf Hitler im Laufe der Zeit einsehen, daß die Welt sich den noch so hehren
Wünschen nicht fügt. Nur wer mit harten Bandagen kämpft, kann seine Ziele auch
realisieren.
Diese Parallele ist es, die Hitler
nach seinem Wechsel in die Politik immer stärker zum Vorbild Friedrich gezogen
hat. Hier hatte er einen Menschen gefunden, der ebenfalls aus der künstlerischen
Sphäre kam, „musisch“ war – und es dennoch geschafft hatte, mit eiserner Hand
über Menschen zu herrschen, die ganz anders waren als er. Er war nicht nur der
Realität gewachsen, sondern sogar Herr dieser Realität.
Schwärmerische Augen, entschlossenes Kinn: Friedrich II., gemalt von Graff |
Es ist allerdings klar, daß Hitler
– im Unterschied zu Friedrich – nur einen temporären Wandel durchmachte. Was
Küstrin für Friedrich hatte für ihn der Erste Weltkrieg bedeutet: das Erwachen
aus kindlichen Träumen. Und noch erstaunlicher als die rasche Entwicklung des
Kronprinzen zum militärischen und ökonomischen Fachmann ist die plötzliche
politische Kompetenz eines Außenseiters,
der sich bisher fast nur mit Musik und Architektur beschäftigt hat. Machtgewinn
bringt zwar dem Machtmenschen steten Genuß und kann sogar süchtig machen. Doch für
den Willensmenschen – und der Träumer ist immer ein Willensmensch - bedeutet der Umgang mit Macht nur eine stete
Last – schon deshalb weil sie zum Umgang mit Menschen zwingt, die überhaupt
nicht auf seiner Wellenlänge liegen. Hierbei hatte Hitler in Friedrich immer
einen geheimen Verbündeten, der ebenfalls diese unablässigen Händel auf sich
genommen hatte, um seine Vision zu realisieren. Es gibt aber einen Punkt, den
Friedrich dabei nicht überschritten hat. Er führte zwar riskante Kriege, so
weit reicht die Parallele, aber er führte keinen aussichtslosen Krieg. Ob der
preußische König dazu unter Umständen in der Lage gewesen wäre, läßt sich nicht
sagen. Hitler jedenfalls verließ das einmal gewählte Realitätsprinzip wieder,
als sich herausstellte, daß es mit seinem Inneren nicht mehr in Einklang zu
bringen war, und wandte sich erneut einer rein visionären Einstellung zu. Sie
ist dadurch gekennzeichnet, den eigenen Willen den herrschenden
Machtverhältnissen unvermittelt gegenüberzustellen, bis es zur Katastrophe
kommt – also die Haltung, die Friedrich im Konflikt mit dem Vater bis zu seiner
Festnahme an den Tag gelegt hat. Auch das war „Selbstmord“, und nur die
politische Rücksicht verhinderte, daß Friedrich Wilhelm I. seinen eigenen Sohn
hinrichten ließ.
Die Verbindung zu Friedrich berührt
auch das Gebiet der Religion. Zu Hitlers religiöser Tarnung gehört es auch, daß
er in „Mein Kampf“ nicht von dem offensiven Atheismus spricht, den sein Vater
vertreten hatte. Alois Hitler war bekannt für seinen Haß auf die „Pfaffen“ und
weigerte sich, eine Kirche zu betreten. Hier folgt der Sohn ihm stärker als der
– im Buch angeführten – naiv frommen Mutter. Zwar ist Hitler kein Atheist, doch
über seine Ablehnung gegen die Kirchen kann es keinen Zweifel geben. Auch hier
trifft er sich mit Friedrich II. Im „Großen König“ spricht dieser von „eurem
Gott“, der für ihn selbst, den König, keine Bedeutung habe. Es ist zur
damaligen Zeit eine Ungeheuerlichkeit, daß ein Herrscher, der seinen eigenen
Machtanspruch aus dem Gottesgnadentum ableitet, selber nicht an den christlichen
Gott glaubt. Entsprechend entschlüpft Friedrich gegenüber unfähigen Adligen auch
der Satz: „Am besten sollte man ihnen den Kopf abschlagen“. Das weist auf die
Französische Revolution voraus. Friedrich folgt dem französischen Philosophen
Voltaire, der Aufklärung gegen Kirche und Aberglauben betreibt. Friedrichs
Vorliebe für die Franzosen bezieht sich auf deren Modernität und deren
Vernunftglauben. Erst mit Immanuel Kant sind Aufklärung und Vernunft endgültig
in Preußen eingezogen. Und damit hängt auch die historische Überlegenheit
Preußens gegenüber dem Habsburgerstaat zusammen.
Man darf sich also im Hinblick auf
Hitler fragen: Kann jemand, der sich mit dem Preußenkönig identifiziert, eine
reaktionäre Weltanschauung haben? Friedrich hat mit dem mittelalterlich
fundierten Weltbild bereits gebrochen, das die Habsburger bis ins 19. und 20.
Jahrhundert hineingeschleppt haben. Diese christliche Tradition sollte den Vielvölkerstaat
zusammenhalten. Wie aber definiert der „große Friedrich“ den Begriff Tradition?
„Dünkel, Faulheit und Feigheit“ – das ist deutlich. Nur die persönliche
Leistung und nur das überprüfbare Wissen sollen zählen. Das ist genau das
Gegenteil reaktionärer Einstellung. Im Krieg zwischen Preußen und Österreich
trafen zwar Deutsche und Deutsche aufeinander. Doch es ging um eine historische
Weichenstellung. Der Sieg Preußens bedeutete letztlich den Untergang des
Habsburger Staates mitsamt seiner weltanschaulichen Grundlage. Auch wenn sich
dieser Untergang noch lange hinziehen sollte.
Daraus läßt sich auch entnehmen,
was die Parteinahme Hitlers für das Deutsche Reich und gegen seine geografische
Heimat Österreich bedeutete. Nicht nur der Vielvölkerstaat wurde abgelehnt,
sondern auch dessen Voraussetzung: die universalistische, nämliche christliche
Ideologie. Das Deutsche Reich wird hingegen als Erbe Preußens betrachtet und
damit als Vertreter moderner Tugenden. Auch wenn Hitler sich wiederum gegen die
modernen Verfallserscheinungen wendet, so bedeutet das niemals eine Rückkehr zu
reaktionären, katholischen, „österreichischen“ Vorstellungen. Das würde eine
Verehrung Friedrichs II. völlig ausschließen. Und an dieser Verehrung kann kein
Zweifel sein.
Donnerstag, 19. April 2012
Deutscher Nationalismus 2012 - eine Antwort
Anfang April erschien auf
„Deutschlandecho“ ein längerer Beitrag mit dem Titel „Deutscher Nationalismus
2012 – eine Kritik“. Der Beitrag ist anonym. Er enthält die altbekannte
Forderung, die NS-Nostalgie aufzugeben und sich endlich „der Gegenwart
zuzuwenden“. Herauskommen soll ein „moderner Nationalismus“. Bemerkenswert ist
daran nur, mit welch frischem Optimismus immer wieder diese Vorsätze ertönen,
als ob nicht der deutsche Nationalismus seit 1945 überwiegend in dem Bestreben
bestanden hätte, sich vom Nationalsozialismus zu lösen oder den Verdacht davon
loszuwerden und endlich in der Gegenwart anzukommen. Die aktuellen politischen
Themen wechselten in diesen 70 Jahren zwar ständig, aber der deutsche Nationalismus
ist niemals irgendwo angekommen. Warum sollte sich dies ausgerechnet im Jahre
2012 ändern?
Es spricht in der Tat etwas für
Veränderung. Auch in dem „Nationalismus“-Text findet man einen Neuansatz. Der
deutsche Nationalismus ist bisher bestimmt durch zwei Fraktionen. Die einen
möchten am liebsten einen neuen Nationalsozialismus einführen, natürlich ohne
die Niederlage und auch ohne die Verbrechen, die entweder ganz abgestritten
oder bestimmten Einzelpersonen in die Schuhe geschoben werden. Diese Fraktion
wird in der Öffentlichkeit als „die Neonazis“ bezeichnet, und das möchten sie
wohl auch sein. Besser paßt jedoch der Ausdruck „NS-Nostalgiker“, weil es sich
hier um eine naive Verharmlosung und Verherrlichung handelt. Die andere
Fraktion könnte man als „Verdrängungskünstler“ bezeichnen. Ihr Bestreben ist
das möglichst weitgehende Ignorieren der NS-Zeit. Die Verdrängungskünstler sind
davon überzeugt, daß in Deutschland alles bestens stehen würde, wenn es Hitler
nie gegeben hätte. Oder wenn man nach 1945 von Hitler nicht mehr geredet hätte.
Die gesamte Dekadenz führen sie darauf zurück, daß durch die
Nationalsozialisten die alten nationalen Werte in Mißkredit geraten seien. Die
Tatsache, daß es in anderen Ländern auch nicht besser aussieht als in Deutschland,
obwohl diese Länder gänzlich unbelastet vom Nationalsozialismus sind, blenden
die Verdrängungskünstler gerne aus. Es ist eine bequeme Feigheit, die 12 Jahre als
winzigen, unbedeutenden und zufälligen Teil der glorreichen deutschen
Geschichte zu betrachten und möglichst schnell zu vergessen. Am meisten ärgern
sich die Verdrängungskünstler über die NS-Nostalgiker. Letztlich meinen sie,
daß nur die kontraproduktive Tätigkeit der Nostalgiker daran schuld sei, daß in
Deutschland nicht längst eine nationale Regierung das Sagen hat.
Aus dieser Zweiteilung ist der
Autor von „Nationalismus 2012“ immerhin ausgebrochen. Er wendet sich gegen die
Nostalgiker, tritt aber nicht auf die Seite der Verdränger. Die Bedeutung des
Nationalsozialismus wird nicht geleugnet, sondern eine „kritische
Auseinandersetzung“ damit eingefordert. Wörtlich heißt es: „Es muß zusätzlich eine vorbehaltlose,
objektive und sachliche Kritik am Nationalsozialismus möglich sein, die weder
von Einfaltspinseln auf der einen noch auf der anderen Seite gestört wird.“
Eine ähnliche Formulierung findet
sich in einer aktuellen Broschüre mit dem Titel „Wegweiser für eine Revolution
von rechts“. Dort heißt es: „Die
Geschichte des Nationalsozialismus gleicht einem unvollendeten Roman. (…) Ob
wir es wollen oder nicht, die Fertigstellung dieses Werkes ist der Schlüssel
zur Selbstfindung unseres Geschlechts.“ Die Verfasser sind wiederum anonym.
Auf die Frage, was mit „Geschlecht“ gemeint ist, erklären sie, daß sich der Ausdruck
auf Menschen bezieht, die die neue Sichtweise teilen. Also nicht nur auf Deutsche.
Wahrscheinlich sind solche Äußerungen kein Zufall. Nach dem Tod der letzten
großen Zeitzeugen und durch die veränderte Weltlage bereitet sich eine neue
Phase in der Deutung des NS vor. Ernst Nolte spielt darin die Rolle eines
Vorläufers. Doch Nolte ist ein Liberaler geblieben. Was jetzt ansteht, ist die
Betrachtung der NS-Zeit unter dem Vorzeichen des Scheiterns von Marxismus und
Liberalismus, den beiden ehemaligen Gegnern.
Nach 1945 haben die Nationalen in
Deutschland den Nationalsozialismus, soweit er in ihre Köpfe Eingang gefunden
hatte, ganz schnell und gründlich daraus entfernt. Der NS erschien im Rückblick
wie eine flüchtige Sternschnuppe. Die Deutschen, die seit den 20er Jahren zum
NS stießen, hatten in der Mehrzahl auch vorher schon national gedacht. Sie
waren entweder deutschnationale Bürgerliche oder nationalrevolutionäre
Jugendbewegte oder national eingestellte Sozialdemokraten und von ihren
Erlebnissen geprägte Kriegsteilnehmer. Dieses ideologische Umfeld kennen wir
recht gut, weil es mehr oder weniger das gleiche ist, was seit 1945 wieder die
deutsche Rechte ausmacht. Nachdem der Nationalsozialismus militärisch
gescheitert war und die nationalsozialistische Ideologie von den
Besatzungsmächten strengstens verboten wurde, taten die ehemaligen Nazis das,
was der Mensch immer tut, wenn ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird: sie
„regredierten“. Regression ist ein Begriff aus der Psychologie und bedeutet die
Rückkehr zu infantilen und primitiven Verhaltensweisen. Wo diese
aufgeschreckten Nazis ideologisch herkamen, dorthin ruderten sie schleunigst
zurück. Und den meisten fiel es auch gar nicht so schwer, weil die diversen
nationalen Denkweisen tief in der deutschen und europäischen Kultur verwurzelt
sind und gut eingeübt durch das ganze 19. Jahrhundert reichten, auch sind sie kompatibel
zum Christentum und zur philosophischen Tradition. Das alles weiß der Durchschnitt
zwar nicht, aber es wirkt beruhigend auf ihn ein. Es stabilisiert seine eigene
Position.
Die „nationalsozialistische
Weltanschauung“ hingegen ist in wenigen Jahren aus dem Boden gestampft worden. Sie
wendet sich gegen das christliche Abendland und vertritt eine Umwertung der
Werte. Dieses neue Denken wurde wiederum innerhalb kürzester Zeit in das Volk
hineingepumpt. Nur wenige haben diese Weltanschauung innerlich angenommen. Wirkliche
Nationalsozialisten gab es sehr wenige. Bei den meisten war es ein äußerlicher
Lack von Phrasen, unter dem die alten Anschauungen beibehalten waren. Obwohl
nach außen hin der Eindruck entstand, als sei das Volk mit seinem Führer einig,
wußten die NS-Führer doch und äußerten es auch gelentlich, daß die eigentliche
Erziehungsarbeit erst nach dem Krieg kommen sollte. Die Propaganda mußte die
Leute belügen und betrügen, um eine positive Stimmung zu erzeugen. Die
entscheidenden Projekte (Judenvernichtung, Euthanasie, Kriegsvorbereitung)
wurden den Leuten erst gar nicht mitgeteilt. Man hielt sie nicht für reif dazu.
Und in der Tat hatten sich die Deutschen über eine Idylle gefreut, die so gar
nicht bestand.
Deshalb fiel es den nationalen
Deutschen nicht schwer, nach 1945 zu ihrer nationalkonservativen Denkweise
zurückzukehren. Sie merkten vielfach nicht einmal, daß sie nun etwas ganz
anderes vertraten, sondern glaubten, sich infolge der Ereignisse bloß gemäßigt
zu haben. Der Nationalsozialismus ist aber kein extremer Nationalismus und auch
kein nationaler Sozialismus. Die Vokabel „Nationalsozialismus“ muß vorwiegend
als Propagandaformel gesehen werden. In Wahrheit handelte es sich um etwas, das
über den Nationalismus hinausgeht, aber nicht den Sozialismus ansteuert – um
eine plötzliche Abweichung vom vorgeschriebenen historischen Kurs. Ein Bruch
mit der Geschichte, wie es die Gegner bis heute beklagen. Im Unterschied dazu
stammen die nationalen, nationalistischen, deutschnationalen und völkischen
Strömungen allesamt aus dem 19. oder sogar schon aus dem 18. Jahrhundert. Die
spezielle Situation, in der der Nationalsozialismus entstand, ist aber durch
das Ende des 1. Weltkrieges und noch mehr durch die Oktoberrevolution von 1917
gekennzeichnet. Darauf hat Ernst Nolte immer wieder hingewiesen.
Der NS ist in erster Linie eine
Reaktion auf den „Bolschewismus“, und der Bolschewismus ist die Konsequenz aus
der europäischen Fortschrittsbewegung (auch „Moderne“ genannt). Damit ist der
NS die Reaktion auf das Scheitern der Moderne. Der NS befindet sich auf der
gleichen historischen Ebene wie die moderne Welt. Vor allem handelt es sich beim
NS genauso wie beim Liberalismus oder Marxismus um eine Weltanschauung, das
heißt, es geht um das Schicksal der gesamten Welt und um den Menschen als
Spezies. Die Deutschen stehen nicht deshalb im Zentrum dieser Weltanschauung,
weil ihre Schöpfer Deutsche sind, sondern weil die Deutschen eine welthistorische
Mission haben. Diese „globale“ Mission steht in genauer Entsprechung zur
„Weltherrschaft des Judentums“. Die Interessen aller anderen Nationen und
Völker hängen von dieser großen Auseinandersetzung ab. Entsprechend haben sich
die Nationalsozialisten über die Interessen kleiner Völker rücksichtslos
hinweggesetzt. Sie sind davon ausgegangen, daß es um ein Gesamtkonzept gegen die
bolschewistische Weltrevolution (inzwischen kapitalistische Weltgesellschaft)
geht. Erst innerhalb dieses Gesamtkonzepts sind dann die nationalen Fragen zu
lösen. Weltherrschaft, Weltordnung, Weltrevolution und Weltanschauung sind die
Kategorien, in denen der NS und speziell die Rassenideologie zu sehen sind.
Mit diesem Programm haben die
Nationalsozialisten in blitzartiger Geschwindigkeit die vielen nationalen und
nationalistischen Gruppen in Deutschland an die reale weltpolitische Lage des
20. Jahrhunderts herangeführt und aus ihren traditionalistischen Krähwinkeln herausgerissen.
Und diese Modernität hat die Nationalsozialisten gegenüber allen anderen
rechten Gruppen ausgezeichnet. Nur auf diese Weise konnte es gelingen konnte,
auch ehemalige Kommunisten zu gewinnen. Und aus demselben Grund hatte die NSDAP
– ganz im Gegensatz zu den nationalen Parteien von heute – großen Zulauf bei
den Intellektuellen, weil die nämlich wissen, was die Stunde geschlagen hat –
auch wenn sie im Handeln völlig ohnmächtig sind.
Bis heute ist dieser „moderne Antimodernismus“
das gefürchtete Kennzeichen nationalsozialistischen Ideologie. Und das gilt
auch für das 21. Jahrhundert, weil der Weltlauf, trotz des Ausscheidens der
Marxisten, immer noch von den modernen Grundsätzen geleitet wird. Der oberste
moderne Grundsatz ist der Humanismus („Menschenrechtsideologie“). Genau dagegen
tritt die Rassenideologie und speziell der Antisemitismus an. Nicht aber der
Nationalismus, weil der Nationalismus gar nicht auf der Ebene der Menschheit zu
argumentierten vermag. Der Nationalismus tut immer noch so, als ob sich ein
Land unabhängig von der übrigen Welt regieren ließe. Das ist eine vormoderne
Auffassung. Sie galt schon im 19. Jahrhundert nur noch bedingt und ist spätestens
seit dem 1. Weltkrieg veraltet.
Ursprünglich ist der Nationalismus
selbst ein Teil der modernen Entwicklung gewesen. Nationale Vorstellungen
richten sich im 18. Jahrhundert nicht gegen Fremdeinflüsse, sondern gegen die
eigenen Oberschichten, Adel und Klerus, und fordern gleiche Rechte für alle
Bürger. Höhepunkt dieser national-demokratischen Bewegung ist das revolutionäre
Frankreich, das die rot-weiß-blaue Kokarde aufsteckt und die Marsellaise
anstimmt („Allons enfants de la patrie …“). Auch in der 48er Revolution
fungierte das Nationalgefühl noch als Fortschrittsmotor. Der Nationalismus ist eine
historische Vorstufe des Liberalismus und Egalitarismus und kann daher niemals gegen
Liberalismus und Egalitarismus ins Feld geführt werden. So dumm und
„politikunfähig“ die heutigen Neonazis auch sein mögen, allein wegen ihrer
Affinität zum NS sind sie allemal moderner und daher auch gefährlicher als der
ganze übrige Teil des nationalen Lagers. Tatsächlich wird das nationale Lager überhaupt
nur wegen seiner angeblichen Nähe zu den Neonazis in der Öffentlichkeit
überhaupt noch zur Kenntnis genommen wird.
Als der Nationalismus sich in der
2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen den Internationalismus zu kehren begann,
geriet er automatisch in konservatives und reaktionäres Fahrwasser. 1918 ist es
mit dieser Herrlichkeit vorbei. Auch wenn Stauffenberg und sein Kreis von einer
Restauration träumten – Hitler hätte zehnmal tot sein können, und doch wären
die alten Zeiten nicht wiedergekommen. Es gab nur die „Flucht nach vorn“ durch
eine aggressive Politik, wie die Sowjetunion und die Westmächte sie im Dienste
ihrer Ideen ebenfalls betrieben. Andernfalls hätte man sich an eine der anderen
beiden Weltanschauungen anschließen müssen. Hitler nannte das „Kapitulation“.
Entsprechend schlossen sich die
meisten Deutschen nach dem Krieg entweder den Marxisten oder den Liberalen an. Einige
jedoch weigerten sich – zumindest innerlich. Sie wollten weiter „deutsch
bleiben“ und mißverstanden dieses Deutschtum, das als Weltanschauung noch
heimliche Chancen hatte, als nationales Bekenntnis. Damit waren sie mental in
die Zeit vor 1918 zurückgewichen. Der Stauffenberg-Kult in diesen Kreisen ist
kein Zufall. Man tat quasi so, als ob der Nationalsozialismus überflüssig
gewesen sei. In Wirklichkeit war es aber der Durchbruch zur „modernen
Antimoderne“.
Damit wären wir wieder am Anfang.
Aus den verschreckten Deutschen von 1945 ist die „deutsche Rechte“ und der
„deutsche Nationalismus 2012“ entstanden. Zu kritisieren sind daran nicht
Äußerlichkeiten oder persönliche Unzulänglichkeiten, sondern die Weltanschauung
selber ist falsch bzw. gar nicht vorhanden. Wenn in bezug auf die
Bundesrepublik gesagt wird: „Das System hat keine Fehler, das System ist der
Fehler“, so gilt mindestens ebenso: „Der deutsche Nationalismus hat keine
Fehler, der deutsche Nationalismus ist der Fehler.“
Was ist nun aber mit den „Neonazis“?
Auch sie hat es seit 1945 gegeben, sie haben sich nie um das Verbotene ihres
Tuns gekümmert, ja dieses noch als Anreiz genommen. Und trotzdem folgten diese
Kräfte dem gleichen Reflex des blitzartigen Rückzugs nach der Niederlage. Im
Grunde unterscheidet sich das politische Denken der Neonazis nicht sehr von den
Nationalen. Beide verbleiben in den Kategorien des 19. Jahrhunderts und lehnen
die Globalisierung verständnislos und ohnmächtig ab. Beide haben sich auf eine
reaktionäre, aber letztlich harmlose Position zurückgezogen, was Deutschland
betrifft. Der Unterschied besteht darin, daß der Neonazi sein politisches
Gartenzwerg-Idyll mit den Nationalsozialisten verbindet. Nur im kleinen Kreis
darf man sich manchmal über die Brutalitäten der angeblichen Biedermänner
freuen. Das gibt immerhin Hoffnung, daß manche es besser wissen.
Ein „Neonazismus“ ist genau
genommen gar nicht möglich, weil man dann das gesamte Geschehen mitsamt der
Niederlage wiederholen müßte. Man darf aber auch nicht wegen dieser Niederlage hinter
die Frontlinie zurückweichen. Richtig wäre ein „post-nationalsozialistischer“
Standpunkt, der die damaligen Ereignisse voll verarbeitet hat. Dabei muß man sich
nicht nur den Grausamkeiten stellen, sondern vor allem den entsprechenden
Denkweisen. Der NS birgt eine völlig neue antihumanistische Denkweise, die bisher
weder innerhalb noch außerhalb der Rechten ernsthaft diskutiert wurde. Und doch
werden die Inhalte dieses Antihumanismus immer aktueller.
Es geht nicht darum, wie es in dem
erwähnten Beitrag heißt, „neue Themenfelder“ zu öffnen, sondern einen neuen
Denkstil und Gefühlshaushalt zu entwickeln. Weg vor allem mit der
Sentimentalität – auch wenn sie deutsche Traditionen betrifft. Wir brauchen
auch keine Nazi-Propaganda zu machen, denn die hat das Publikum inzwischen
durchschaut.
Donnerstag, 29. März 2012
"Metaphysischer Nationalsozialismus"
Der Ausdruck „historischer Nationalsozialismus“ setzt voraus, daß es einen
überzeitlichen Nationalsozialismus gibt. Es gibt sogar Leute, die von einem „metaphysischen Nationalsozialismus“
sprechen.
Gemeint ist vielleicht das
Richtige. Doch von dem Wort „metaphysisch“ müssen wir uns trennen. Außer bei unverbesserlichen
Scholastikern (katholischen Theologen) hat es spätestens seit Kant seine
Bedeutung verloren. Auch das Wort „idealistisch“ führt in die Irre. Es löst beim
Zuhörer die Vorstellung von Ohnmacht aus. Beide Begriffe scheiden uns von jeder
modernen Weltanschauung und damit auch vom Nationalsozialismus.
Was heißt dann „überzeitlich“? Das
ist vor allem das Religiöse. Neben dem historischen Nationalsozialismus gibt es
demnach noch einen „religiösen“ (teilweise auch „esoterischen“) Nationalsozialismus.
Was ist aber das Religiöse? Das
Religiöse bezeichnet die obersten Werte, die keine Ableitung mehr brauchen,
sozusagen die Axiome. Welche Werte sind das im Nationalsozialismus? Etwa die
Verehrung Hitlers? Nein: Hitler betonte selber, daß er keine religiöse
Verehrung will.
Die absoluten Werte im
Nationalsozialismus sind die biologischen Gesetze. Auch wenn stark zu
bezweifeln ist, daß die Nationalsozialisten diese Gesetze immer richtig
erkannten, steht doch fest, daß sie sich daran orientieren wollten. Die Geltung
von Blut und Boden (Natur) als oberste Richtlinie dürfte unter Gegner und Anhängern
unbestritten sein. Eben deshalb wird der Nationalsozialismus letztlich
angegriffen.
Wenn also der historische NS die
Ereignisse zwischen 1933 und 45 (samt Vorgeschichte) sind, dann ist der „ewige
NS“ die Verehrung der Natur als oberste Autorität. Hält man sich daran, kommt
man zwar nicht zwangsläufig zu den gleichen Ergebnissen wie die historischen
Nationalsozialisten, doch man kommt garantiert zu Ergebnissen, die eine ähnlich
entsetzte Reaktion hervorrufen.
Die Argumente, worauf sich die
Gutmenschen mit ihrer Empörung dann beziehen, stammen wiederum aus einer
metaphysischen Ecke. Ausnahmen gibt es nur wenige, zum Beispiel Thilo Sarrazin:
er argumentiert gegen den Antisemitismus, daß die Juden biologisch besonders
wertvoll und intelligent seien. Er verwendet also die gleichen biologistischen
Maßstäbe, aber zieht andere Folgerungen. Ohne allgemeine Empörung kam er
trotzdem nicht davon.
Metaphysik aus erster Hand: Aristoteles |
Metaphysik aus zweiter Hand: Thomas von Aquin |
Für die philosophisch
Interessierten versuchen wir kurz, die historische Bedeutung von Metaphysik zu
erklären. Erfinder ist der Grieche Aristoteles (um 350 v. Chr.). Er fügte
seinen vielen naturwissenschaftlichen Schriften einige Bände über die
„jenseitigen“ Dinge an. Da diese Schriften im Regal „nach der Physik“ zu stehen
kommen, heißen sie „meta-physisch“.
Seitdem beschäftigt sich jeder
Philosoph mit der Frage nach dem, was der Mensch nicht sehen und nicht erkennen
kann. Zum Beispiel dem Anfang der Welt, dem Leben nach dem Tod und dem Ding an
sich (wie die Dinge wären, wenn wir sie nicht durch unsere Brille sehen
würden). Das führte zu ausgedehnten Spekulationen, die alle von der
christlichen Kirche vereinnahmt und in ihre Bahnen gelenkt wurden.
Erst Immanuel Kant ging Ende des
18. Jahrhunderts an den Nachweis, daß der menschliche Verstand solche Fragen
zwar stellt, aber sie grundsätzlich nicht beantworten kann. Metaphysische
Fragen sind nach Kant eine Art Falle, die unser Denken sich selbst stellt. Hat
man das einmal begriffen, umgeht man diese Fallen. Man beschäftigt sich nicht
mehr mit der „absoluten Wahrheit“, sondern mit dem Geschehen auf dieser Erde.
"Zertrümmerer der Metaphysik": Kant |
Friedrich Nietzsche hat diese
Ansicht radikal bekräftigt. Er bezeichnet die metaphysischen Spekulationen als
„Hinterwelten“. Sein Aufruf lautet dagegen: „Bleibt der Erde treu!“
Postmetaphysiker: Nietzsche |
Zuzugeben ist, daß die Deutschen
ein metaphysisches Volk sind. Daher versuchte Martin Heidegger, bei seiner
Metaphysikbekämpfung die Metaphysik doch irgendwie zu retten. Zumindest eine
Zeitlang plagte er sich mit einer neuen Auffassung dieses Begriffes ab. Ergebnis
davon ist das Buch „Kant und das Problem der Metaphysik“, worüber er mit dem
jüdischstämmigen Starphilosophen Ernst Cassirer und seiner Gemeinde scharf
aneinander geriet, sowie der Vortrag „Was ist Metaphysik?“ Beides fällt in jene
interessante Phase, wo der Autor von „Sein und Zeit“ sich der
nationalsozialistischen Bewegung zuzuwenden begann (Ende der 20er Jahre). So
kompliziert Heidegger Stellung zur Metaphysik auch ist, so einfach ist der
Grund, weshalb er mit dem Nationalsozialismus schon bald nach 1933 schon wieder
Probleme bekam: weil der NS ganz klar auf das moderne naturwissenschaftliche
Weltbild setzte, während Heidegger bei aller Kritik der philosophischen
Tradition verhaftet blieb oder bleiben wollte.
Religiös, aber nicht metaphysisch |
Braucht man überhaupt Philosophie,
um den NS zu verstehen? Nein – es sei denn, man wollte ihn aus seinem Gegensatz
heraus verstehen. So sagt Ernst Nolte in seinem neuen Buch „Reflexionen“, die
„Philosophie von Auschwitz“ sei „der Verlust der Transzendenz“. Und was bedeutet
„Transzendenz“? Etwa das gleiche wie „Metaphysik“. Demnach ist der Nationalsozialismust für Nolte
das genaue Gegenteil von Metaphysik.
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