„Die sogenannte Tierliebe hat schon
so viel Unheil angerichtet, daß wir, wenn wir tatsächlich mit der
größtmöglichen Intensität daran denken würden, augenblicklich ausgelöscht
werden müßten vor Erschrecken. Es ist nicht so absurd, wie es zunächst
erscheint, wenn ich sage, die Welt verdankt ihre fürchterlichsten Kriege der
sogenannten Tierliebe ihrer Beherrscher. Das ist alles dokumentiert, und man
sollte sich diese Tatsache einmal klarmachen. Diese Leute, Politiker,
Diktatoren, sind von einem Hund beherrscht und stürzen dadurch Millionen
Menschen ins Unglück und ins Verderben, sie lieben
einen Hund und zetteln einen Weltkrieg an, in welchem Millionen getötet werden
wegen dieses einen Hundes.“ (Thomas Bernhard, Beton, Ffm. 2006, S. 49)
Blondi, fotografiert von Walter Frentz |
Und hier noch einige Informationen
zu Thomas Bernhard, einem der wichtigsten deutschen Nachkriegsautoren, dem wir die obigen Einsichten zum Wesen der Tierliebe verdanken:
Der größte deutsche Haßprediger nach
Hitler heißt Thomas Bernhard. Auch er stammt aus Österreich und hat einen
manierierten, monotonen, schwer erträglichen Sprachstil entwickelt, der süchtig
macht. Der Unterschied: Bernhard redet nicht, er schreibt. Gelernt hat er
nichts, erhebt sich aber mit Leichtigkeit über alle kulturellen Gepflogenheiten.
Sein Haßobjekt ist der Nationalsozialismus und alles, was damit zusammenhängt.
Alles kann bei Thomas Bernhard das
Attribut „nationalsozialistisch“ erhalten, wenn es nur furchtbar genug ist: die
Kirche natürlich, das Dorf, das Denken, das Gesicht eines Wirtes, das Theater,
die Landschaft, das ganze Österreich. Daß dem Dichter speziell das Salzburger
Land „nationalsozialistisch“ vorkommt, ist vielleicht kein Wunder, denn Adolf
Hitler stammt praktisch aus der gleichen Gegend und den gleichen deprimierenden
Verhältnissen. In seinem Reptilienhirn muß es ähnlich ausgesehenen haben. Der
Unterschied: Bernhard hat sich weit über dieses Stadium erhoben. Er lehnt alles
Heimatliche entschieden ab. – Die Frage ist dann allerdings: Warum entfernt
sich der gefeierte und gut verdienende Autor nicht aus dem
„nationalsozialistischen“ Österreich, um zum Beispiel in New York oder
wenigstens in Paris zu leben? Nicht einmal den Versuch dazu hat er unternommen,
sondern sich ausgerechnet im Salzburger Land einen Hof gekauft, um dort im
Trachtenzeug umherzulaufen. Spontan fällt einem der Berghof ein. Höchstens in
Wien ist Bernhardt anzutreffen, wo er in Caféhäusern sitzt, Zeitung liest und
an seinen Haßtiraden feilt.
Bernhard in seinem verhaßten Wien |
Wien ist Bernhard aus genau
entgegengesetzten Gründen verhaßt, wie es Hitler verhaßt war. Nämlich weil es
nicht großstädtisch und nicht kosmopolitisch genug ist. Immer wieder führt der
Dichter die Vorteile „echter Weltstädte“ gegen der „schmutzigen“ und „durch und
durch nationalsozialistischen“ Provinzialität von Wien an. Sitzt aber selbst
immer nur in Wien im Caféhaus und nie zum Beispiel in Rio in einer Bar, obwohl
er das könnte. Obwohl schon jeder zweite deutsche Rentner das tut.
Wer die „Romane“ gelesen hat, es
sind Haßreden in einer oberflächlich literarisierten Form, der kann sich über
den Grund nicht täuschen: Bernhard kann nur über seine Heimat schimpfen, weil
er nur die Heimat liebt. Einzig zu ihr hat er eine Beziehung. Nur hier
empfindet er überhaupt etwas. Nur hier hat er den richtigen Instinkt. Nur hier
kann er schreiben. Und schreiben bedeutet für Bernhard leben, wie für Hitler
leben kämpfen bedeutet hatte.
Wenn man es nicht aus Geheimnis aus
seinen Texten herauslesen könnte, so gäbe es für Bernhards Heimatliebe auch
einen offenkundigen Beweis: sein Frühwerk. Thomas Bernhard hat als positiver
Heimatdichter angefangen, der sich gegen die Moderne wandte. Das kann er nicht
leugnen, denn die Texte hat er an Verlage geschickt. Sie wurden fast alle
abgelehnt. Und in Erfolglosigkeit – wie sein schriftstellernder Großvater –
wollte der Jungautor auf keinen Fall enden. Er gierte nach Erfolg, was man von
vielen Künstlern sagen kann. Auch vom jungen Hitler. Der Unterschied: Dieser
hatte Erfolg, indem er seine innersten Obsessionen herausschrie. Sein Landsmann
hatte damit keinen Erfolg. Seine Heimatliebe war nicht gefragt im
Nachkriegs-Literaturbetrieb. Das Gegenteil was gefragt. Und so ist Thomas
Bernhard auf sein Konzept gekommen.
Es ginge nicht, wenn das, was er
sagt, glatt gelogen wäre. Er hat recht damit, daß das angeblich Echte und Alte
in den meisten Fällen längst zur Ware geworden ist. Er spielt das Motiv von
Adorno, daß es „nichts Wahres im Falschen“ gäbe, in allen Finessen durch. Wo
nur der Anhauch einer Vermarktung zu finden ist, verwirft Bernhard mit Lust das
gesamte Unternehmen. So muß die Hochkultur mit Mozart und Salzburger
Festspielen zu einer abstoßenden Farce werden. Doch so leidenschaftlich könnte
der Autor nicht über ein Popkonzert wüten, obwohl hier der Kommerz viel
deutlicher ist. In seinem Furor kommt die Bewunderung für das zum Ausdruck, was
Natur und Kultur an Spuren hinterlassen haben. Er kennt und erkennt noch das
Echte und kann daher gegen das Falsche aufbegehren. Doch das „Echte“, was
Bernhard zum Maßstab seines zerstörerischen Urteils macht, ist immer die
Heimat.
Die innere idealisierte Heimat
bildet das vernichtende Kriterium, das der Dichter an das wirkliche Wien, das
wirkliche Österreich, das wirkliche Landleben anlegt. Eine Gegenwelt aber hat
er nicht. Immer wieder versucht er, sich mit der Moderne zu identifizieren.
Zwei Gestalten bilden dabei die tragende Rolle: der Philosoph Ludwig
Wittgenstein und der Pianist Glenn Gould. Beinahe werden von Bernhard in einer
beinahe sakralen Weise gewürdigt. Beide sind jüdischer Herkunft und stehen für
eine unheimliche Hyperintellektualität. Bernhards Zugang zu diesen
selbstgewählten Helden bleibt in skurriler Weise äußerlich. Während die Typen
seiner Umgebung plastisch und eindringlich beschrieben werden, erscheinen
Wittgenstein und Gould wie riesige Schatten, deren Gesichter der Dichter nie
erkennt. Sie sind die „Giganten“ – doch der Inhalt von Wittgensteins
Philosophie wird ebenso wenig zum Thema wie die Bach-Interpretation von Glenn
Gould. Es ist klar, daß sich der Dichter hier zwei Götzen erschafft, um eine
Alternative zur Heimat zu konstruieren, was aber nicht einmal im Ansatz
gelingt.
„Auslöschung“ heißt der vielleicht beste Roman. Das Wort „Auslöschen“ überbietet an Radikalität noch
die „Vernichtung“ und stammt zweifellos aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“. Wie
überhaupt das Prinzip der „Übertreibung“, das als Hauptstilmittel Bernhard
gilt, auch für das nationalsozialistische Vokabular kennzeichnend ist.
Ausgelöscht werden soll aber nicht der Feind, sondern umgekehrt das Eigene –
wobei es vielleicht zum letzten Mal als solches kenntlich wird. Auf Schritt und
Tritt merkt man, daß Bernhard mit seinem Heimathaß einer schleichenden Heimatvernichtung
nur zuvor kommt, die er sowieso nicht mehr verhindern kann: „Die Regierung betreibt eine ungeheure Vernichtungsmaschine“,
schreibt er, „in welcher alles vernichtet
wird, was mir lieb ist.“ Oder: „Die
Auslöscher und die Umbringer bringen die Städte um und löschen sie aus und
bringen die Landschaft um und löschen sie aus.“ Oder auch: „Immer und immer wieder sage ich mir, wir
lieben dieses Land, aber wir hassen diesen Staat.“ Gleich darauf kommt
wieder die Distanzierung von den „Blutsordenträgern,
den SS-Obersturmbannführern an ihren Krücken, den nationalsozialistischen
Helden“, obwohl doch diese „Helden“ ihren Haß – Bernhards Haß – auf den
„Staat“, der „die Städte und die Landschaft vernichtet und auslöschet“ mit
ihrer Vernichtung und Auslöschung vergolten hatten oder es zumindest
versuchten. Diese Gemeinsamkeit aber kann Bernhard nicht sehen oder darf er
nicht sehen, wenn er denn nach 1945 Erfolg haben will.
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