Mittwoch, 9. Mai 2012

Eichmanns Ende

Gestern kam in 3 Sat noch einmal „Eichmanns Ende“, ein Dokumentarfilm von 2010. Danach die „Wannseekonferenz“, ein Dokudrama (Spielfilm) von 1984.

Wie kommt es, daß einem die Bösewichte in solchen Filmen menschlich immer so angenehm sind? Der Schauspieler Herbert Knaup wirkt als Adolf Eichmann richtig sympathisch. Liegt es daran, daß man voreingenommen ist (daß man es so sehen will)? Liegt es daran, daß die Filmemacher mit Absicht „gegen den Strich“ inszenieren, damit die Sache nicht so langweilig wird? Ein teuflischer Eichmann würde das Publikum nur enttäuschen, das wußte schon Hannah Arendt. Oder liegt es etwa daran, daß die Nazis wirklich so sauber und anständig waren??
Nichts von alledem: Die persönliche Integrität dieser Figuren ist einfach darauf zurückzuführen, daß sie einer Generation angehörten, wo man (egal ob Nazi, Kommunist oder Liberaler, ob Pfarrer, Maurer oder Beamter) im Normalfall (von Ausnahmen abgesehen) noch „anständig“ war und nicht so verkommen, wie wir es heute allesamt sind. Wir sind heute nicht deshalb verkommen, weil wir die falschen Werte haben oder nicht mehr an Gott glauben, sondern weil uns hundert Fernsehprogramme, hundert Schokoriegel und hundert Freunde auf Facebook korrumpieren. Wir sind in jedem Sinne „zugemüllt“ und schon selbst zum Abfall geworden.
Noch unter Adenauer waren die Leute „sauber“. Und selbst Rudi Dutschke oder Ulrike Meinhof sind als „anständige Menschen“ angetreten. Man braucht sie nur anzusehen. Es sind Leute, die als Kinder noch stillsitzen mußten. Es ist tatsächlich der Bruch von 1968, durch den sich der ganze Habitus ändert. Der Beginn liegt viel früher, doch da ist es offensichtlich geworden.
Wer im Müll lebt, und das tut auch der, der ihn ständig wegzuräumen versucht, dem merkt man das an. Erst in der Kleidung, dann in der Haltung, dann in der Figur und schließlich auch im Gesicht. So weit sind wir allerdings noch nicht. Sonst würden sich nicht immer wieder Schauspieler finden, die im Stande sind, den verschwundenen Menschentypus so überzeugend darzustellen. Die Substanz ist noch da. Die Leute müssen nur in ein anderes Kostüm schlüpfen, einen anderen Text reden, und schon sind es wieder die alten.

Eichmann in Jersulem 1961
Eichmann im Film 2010

Auch das kann sich über eine evolutionäre Anpassung an die totale Zivilisation, sprich durch die negative Selektion, eines Tages ändern. Es braucht gar nicht so lange zu dauern, dann sehen die Menschen nicht nur anders aus und handeln anders, sondern sind tatsächlich andere. Und das bei einem „rein arischen“ Stammbaum.


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