Trotzdem sind die „Zeitungszeugen“
sehr lesenswert. Immer wieder stößt man auf Aussagen, die vom gängigen
NS-Klischee befremdlich abweichen, aber den Vorteil haben, authentisch zu sein.
Wer hätte zum Beispiel gedacht, daß
im NS-Staat eine „beispiellose Geburtenverhinderung“ stattfand? Heute hört man
immer nur von dem Bestreben, von jeder deutschen Frau mindestens vier Kinder zu
gewinnen, und von der Erfindung der „Mutterkreuze“. Das paßt schlecht zu den
400 000 Sterilisationen, die auf staatlichen Druck zwischen 34 und 45
vorgenommen wurden. Und das sollte erst der Anfang sein.
„So wie die Dinge
liegen, ist nur noch eine Minderheit von Volksgenossen so beschaffen, daß ihre unbeschränkte
Fortpflanzung wertvoll für die Rasse ist“,
so erklärte Fritz Lenz, Professor
für Erblehre in Berlin 1934.
Fritz Lenz (1887- 1976) |
Nur eine Minderheit sollte sich
fortpflanzen, und zwar die genetisch Wertvollen. Die nach ihrem Sozialverhalten
sowie dem äußeren Erscheinungsbild als wertlos beurteilten „Volksgenossen“,
sollten hingegen unfruchtbar gemacht werden – notfalls durch Zwang. Zwar
gelangte diese Auffassung nur ansatzweise zur Durchführung, doch entspricht sie
der NS-Ideologie deutlich besser als die wahllose Förderung von Geburten nach
dem einzigen Kriterium der deutschen Abstammung.
Die Beweislast in der
Bevölkerungspolitik wird damit umgekehrt. Nicht wer keine Kinder hat, muß sich
dafür vor dem Volk rechtfertigen, sondern wer es wagt, Kinder zu produzieren,
muß sich nach seiner eigenen Beschaffenheit und seinen Verdiensten fragen
lassen. Zunächst klingt das, als ob der – damals schon zurückgehende –
Kinderwunsch durch eine solche Voraussetzung noch mehr schwinden würde. Doch
das Gegenteil könnte auf die Dauer der Fall sein. Wenn Kinder nur einer
Minderheit – also einer Elite – erlaubt sind, werden sie zum höchsten Statussymbol, anstatt
wie jetzt das Kennzeichen asozialer Verhältnisse zu sein.
Kinder sind kein Spaß, sondern Ernst |
Auf dem Sender Phoenix war neulich
eine Dokumentation über einen amerikanischen Staatsbürger zu sehen, der sich
die Freiheit nimmt, eine private „Menschenzucht“ zu betreiben. Er erfüllt
ausgesuchten Frauen ihren Kinderwunsch, indem er sie mit dem Samen
hochqualifizierter Männer befruchtet. Er schreibt diese Männer, deren Namen er
Wissenschaftsmagazinen und Firmenpublikationen entnimmt, gezielt an und bittet
sie um ihre „Spende“. Bei den meisten stößt die Anfrage auf sofortige
Zustimmung. Die Alpha-Männchen fühlen sich geschmeichelt, wenn sie für die
Fortpflanzung gezielt ausgesucht werden. Auch Frauen finden sich für dieses
Experiment offenbar genügend. Es ist einfach spannender, ein Kind zu bekommen,
wenn damit eine besondere Mission verbunden ist. Die „Produkte“, die in der
Sendung vorgestellt wurden, sind inzwischen im Teenager-Alter. Die meisten davon
beginnen bereits, die in sie gesetzten Hoffnungen zu bestätigen.
Bedenklich ist bei solchen Ansätzen
nur, daß das Auslese-Kriterium reichlich eindimensional ausfällt. Gezüchtet
wird für den Arbeitsmarkt von heute und morgen, der mit Sicherheit mehr
Hochbegabte fordert. Doch was ist mit den Fähigkeiten, die auch übermorgen noch
tragfähig sind oder gar eine Perspektive in die Zukunft schaffen? Die Frage
nach der „Rasse“, und was sie ausmacht, dürfte sich erst noch stellen.
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