Freitag, 1. Juni 2012

Nachricht 7

Der neue Bundespräsident hat überraschend bewiesen, daß sein Amt doch nicht ganz überflüssig ist. In einem Interview mit der „Zeit“ hat sich Gauck anläßlich eines Antrittsbesuchs in Israel von seinem Vorgänger Christian Wulff distanziert. Im Unterschied zu Wulff ist Gauck nicht der Meinung, daß der Islam zu Europa gehört. Jedenfalls nicht eindeutig. Für Gauck bleibt ein Zweifel, deshalb hätte er die Formulierung seines Vorgängers nicht gewählt.

Wer sich über die Wahl Gaucks freute und von ihm – als Berufsantikommunisten – einen gewissen konservativen Impuls erwartete, kann sich bestätigt fühlen. Der neue Bundespräsident bezieht nicht nur Stellung, er bezieht sogar Stellung gegen Multikulti Stellung. Zumindest im Ansatz. Schon werfen führende Muslime ihm „mangelnde Geschichtskenntnis“ vor und verweisen auf die früheren islamischen Einflüsse in Europa. Solche Bereicherungen gibt es zwar (gern genannt wird Goethes „West-östlicher Diwan“), aber es ist wohl keine Frage, daß Europa und auch Goethe gut ohne den Islam fertig geworden wären. Die Grundlagen der europäischen Kultur sind die alten Griechen und das Christentum. Die Araber nicht.

Genau darin besteht heute die Stärke des Islam, daß dessen Kultur relativ wenig mit der europäischen verbunden ist. Darauf beruht der Stolz der Muslime, daß sie dem europäischen Liberalismus und Atheismus eine theokratische Tradition entgegensetzen können. Nur als Antithese zum westlichen (also europäischen) Modell ist der Islam heute wieder attraktiv. Die Muslime dürften sich also nicht gegen Gauck wenden, sondern hätten sich gegen Wulff wenden müssen, der behauptete, zwischen dem dekadenten Europa und der arabischen Welt bestehe kein wesentlicher Unterschied.

Da die Moslemvertreter nicht dumm sind, kann der Grund ihrer Verärgerung nur taktisch sein. Nicht aus inhaltlichen Gründen protestieren sie, sondern um die offenen Worte des deutschen Staatsoberhauptes politisch für sich auszubeuten. Aha, der Bundespräsident bezeichnet den Islam als fremd (was eigentlich gerade seine Stärke ist), also muß Deutschland mehr für die Integration tun, sprich mehr Geld für Moslems ausgeben.

Die entscheidende Frage lautet deshalb: Was will Gauck mit seiner Äußerung bewirken, daß der Islam nicht zu Europa gehört (was sachlich ohnehin klar ist)? Darauf liefert das „Zeit“-Interview bereits die Antwort. Er könne diejenigen verstehen, sagt Gauck, die fragen:
„Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die AUFKLÄRUNG erlebt, gar eine REFORMATION?“
 Der Bundespräsident möchte also diejenigen in Deutschland vertreten, die noch auf die Werte der Aufklärung und der Reformation setzen, wie es der Philosoph Jürgen Habermas immer wieder getan hat. Er möchte kämpferisch die Moderne gegen deren Verächter verteidigen und sieht Deutschland als festen Teil der westlichen Wertegemeinschaft mit einer besonderen Verantwortung, sich gegen autoritäre und inhumane Entwicklungen zu wehren. Genau das hat Gauck mit seinem Israel-Besuch deutlich gemacht. Wenn er sich nun gegen den Islam wendet, so sieht er den wachsenden islamischen Einfluß in Europa als bedenklichen Rückfall in jene autoritären und inhumanen Verhaltensweisen. Sie müssen nicht immer von den Nazis ausgehen.

Die Frage ist, ob die Konservativen, soweit sie Gauck unterstützt haben, sich wirklich freuen können. Gauck liegt eindeutig auf der Linie von Habermas und der „kommunikativen Vernunft“. Er ist ein typischer Vertreter der Totalitarismustheorie, das heißt, alles ist böse, was nicht liberal ist. Er ist gegen eine religiöse Autorität, wie sie vom Koran oder auch vom Papst ausgeht, und für die protestantische Gewissensfreiheit. Ist das konservativ? Zwar ist es konservativ im Vergleich mit einem schrankenlosen Multikulti, gegenüber dem Islam ist es jedoch eindeutig modern und „zersetzend“.

Der Fall Gauck zeigt erneut, daß es unmöglich ist, innerhalb des bestehenden politischen Diskurses eine Position zu finden. Um weiterzukommen, müssen wir diesen Diskurs sprengen. Denn wer für Wulff ist, öffnet den Interessen der moslemischen Einwanderer Tür und Tor. Wer hingegen für Gauck votiert, verteidigt genau die Ideologie, die Europa zugrunde richtet. Das ist nämlich nicht der Islamismus – der könnte höchstens die Früchte ernten – sondern es ist jener europäische Geist, den Gauck mit Habermas gegen den Einbruch des Fremden verteidigen will. Und wie könnte man diesen Diskurs sprengen? Nur durch das Erwachen des FREMDEN in uns selbst – IM EUROPÄISCHEN ERBE.

Wer sich auf den Anti-Islamismus (auch in der moderaten Form von Gauck) einläßt, muß selbstverständlich für Israel sein. Nicht unbedingt für die aktuelle Politik von Israel, obwohl es da auch schwierig ist, sich zu distanzieren, aber vor allem für die „Holocaust-Religion“. Denn diese Religion – und längst nicht mehr die Ideen von „Aufklärung und Reformation“ – steht heute in Konkurrenz mit der islamischen Reaktion. Schließlich ist der neue Bundespräsident nicht zum Grab von Martin Luther oder von Immanuel Kant gepilgert, auch nicht von Voltaire, sondern nach Yad Vashem.


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