Das neueste Buch von Richard
Dawkins gegen die Kreationisten trägt den Titel „Die Schöpfungslüge“. Es sind
aber noch andere Lügen, die dort wieder einmal zum Vorschein kommen.
Wie gewohnt erklärt Dawkins die
komplizierten Indizien, die für Darwins Evolutionstheorie sprechen, und
widerlegt die rührend naiven Vorstellungen der Bibelgläubigen. In Kapitel 7
begegnet uns eine schöne Ansammlung von Schädelbildern. Sie gehören zu den
verschiedenen „Urmenschen“, genauer den Zwischenstufen von Affe und Mensch. "Fehlende
Menschen? Sie fehlen nicht mehr“, heißt das Kapitel. Die Kreationisten
argumentieren besonders gern mit dem „Missing link“ zwischen Affe und Mensch.
Dawkins entwirft einen amüsanten Dialog mit einer Kreationistin namens Wendy,
die nicht einsehen will, daß es ein solches „Verbindungsglied“, das weder Affe
noch Mensch bzw. beides zugleich ist, per definitionem nicht geben kann. Die Forscher
bemühen sich nämlich, jeden Fund entweder der einen oder der anderen Seite
zuzuordnen, da Mensch und Affe nun einmal die Spezies sind, von denen wir
ausgehen. So schafft die Wissenschaft erst jene Eindeutigkeit, die Wendy für
einen Beweis hält, daß es eine kontinuierliche Entwicklung vom Affen zum
Menschen nicht gegeben habe.
Besonders interessant ist das
Kriterium, wonach die Wissenschaftler ihre Zuordnung vornehmen. Dieses Kriterium
ist in erster Linie die Schädelform, und zwar das Verhältnis zwischen
Hinterkopf und vorderer Gesichtshälfte.
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Neanderthaler |
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Steinheimer Urmensch |
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Australopithecus |
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Homo sapiens |
Nun ist das Wort „Schädelform“
politisch derart verrufen, daß man es nur mit einem gewissen Schauern lesen
kann. Habe ich mich durch die Lektüre solcher Seiten nicht bereits strafbar gemacht?
Wenn wenigstens der evolutionsbiologische Zusammenhang ein völlig anderer wäre
als bei den rassistischen „Schädelvermessern“, so daß es sich bloß um ein
zufälliges Zusammentreffen handelte, wenn hier von Hinterköpfen und deren
Ausprägung die Rede ist. Doch leider funktioniert die Argumentation bei Dawkins
und seinen Fachkollegen ganz genauso wie bei Dr. Mengele: Je stärker bei einem
aufgefundenen Schädel der Hinterkopf ausgeprägt ist, und das läßt sich messen,
desto näher soll die entsprechende Spezies dem Homo sapiens in der Entwicklung
stehen. Je niedriger umgekehrt der Hinterkopf und je weiter vorgeschoben der
Unterkiefer ist, desto „affenähnlicher“ soll das Lebewesen sein.
Das Kritierum ist nicht etwa
ästhetisch zu verstehen. Dawkins würde niemals behaupten, daß der Mensch „schöner“
oder „besser“ sei als der Affe. Fakt ist aber, daß sein Gehirn ein mehr als
doppelt so großes Volumen hat. Und eine größere Gehirnmasse benötigt zur
Unterbringung einen entsprechend ausgeweiteten Hinterkopf. Damit der Schädel aber
insgesamt nicht zu schwer wird (Schädelknochen sind die dicksten Knochen),
bildet sich der Unterkiefer in gleichem Maße zurück.
Die geistige Überlegenheit oder
Unterlegenheit an der Schädelform abmessen zu wollen, ist demnach nicht
abenteuerlich oder absurd, sondern zumindest naheliegend. Trotzdem muß es im
Hinblick auf die menschlichen Rassen nicht das richtige Kriterium sein. Es könnten
andere kompliziertere Zusammenhänge vorliegen. Das wäre zu untersuchen. Statt
dessen wird aber die Schädelmessung rein polemisch als Zeichen kompletter
wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit hingestellt. Die ideologischen Fragen in
der Biologie betreffen mit Sicherheit nicht nur den Kreationismus. Und obwohl
Dawkins mit Recht darauf hinweist, wie mächtig die Fundamental-Christen in den
USA heute sind, gibt es durchaus noch mächtigere Gruppen, die bis in die
Naturwissenschaften hinein ihren Aberglauben verbreiten.
Selbst Richard Dawkins, der nicht
zu den ausgesprochenen Gutmenschen gehört, hält es für nötig, einer politisch „mißverständlichen“
Interpretation seiner Ausführungen vorzubeugen. Man darf es nie vergessen: Das Schlimmste,
was heute passieren könnte, wäre ein renommierter Biologe mit „rechtsextremen“
Ansichten. Solche Ansichten dürfen nur Nicht-Biologen äußern wie der Extremist
Jürgen Rieger oder der Populist Thilo Sarrazin, die schon auf Grund mangelnder Ausbildung
wissenschaftlich nicht ernst zu nehmen sind.
Echte Wissenschaftler müssen sich davon
abgrenzen, sonst würden sie ihre Autorität einbüßen. Und nicht zuletzt wegen der
Autorität hat der Wissenschaftlicher seine schwierige Ausbildung gemacht. Deshalb
kommt in dem fiktiven Dialog auch folgende Stelle vor:
Wendy: „Die Philosophie der Evolution kann zu Ideologien führen, die für die
Menschen so zerstörerisch gewesen sind…“
Richard: "Ja, aber wäre es da nicht ein guter Gedanke, nicht nur auf die
falsche Deutung des Darwinismus hinzuweisen, der politisch heimtückisch
mißbraucht wurde, sondern den Darwinismus zu verstehen? Dann wären sie in der
Lage, diesen entsetzlichen Mißverständnissen entgegenzutreten.“
Auch Richard Dawkins macht also
die Verbeugung vor der Menschenrechtsideologie und läßt sich dabei so weit
verdummen, daß er allen Ernstes behauptet, wir sollten uns mit der
Evolutionslehre beschäftigen, um dem Rechtsextremismus vorzubeugen: „Genetik
gegen rechts“.
Sicher ist es nicht falsch,
pseudowissenschaftlichen Rassisten mit korrekten biologischen Argumenten entgegenzutreten.
Doch beherrschen ja nicht die pseudowissenschaftlichen Rassisten die
öffentliche Meinung, wie es vielleicht zwischen 1933 und 45 in Deutschland einmal der
Fall war, sondern es sind die Menschenrechtsideologen, die inzwischen fünfmal
so lange und in der ganzen Welt die öffentliche Meinung beherrschen. Und die
Kreationisten setzen der Humanitätsduselei noch die Krone auf, indem sie
behaupten, die Erde sei für den Menschen da. Das weiß Dawkins ganz genau, sonst
würde er nicht unverdrossen den Darwinismus propagieren. Trotzdem macht er etwa
in der Mitte seines Buches den obligatorischen Rückzieher. Warum? Nachdem er sogar
im Ruhestand ist, kann dem Wissenschaftler niemand mehr etwas anhaben. Doch hat
er die „politische Korrektheit“ so weit verinnerlicht, daß sein eigenes
Gewissen ihn zu solchen Einlassungen zwingt.
Das Wort „verinnerlichen“ stammt
aus der Psychologie, das Wort „Gewissen“ aus der Theologie, aber beides ist von
der herrschenden Ideologie keineswegs so unabhängig, wie behauptet wird. Das
Gewissen als verinnerlichte herrschende Ideologie läßt sich nur negieren, wenn
man innerhalb eines geschlossenen Kreises von Leuten lebt, die die herrschende
Ideologie ebenfalls nicht teilen. Das ist bei Dawkins sicher nicht der Fall. Er
lebt trotz seiner ketzerischen Art („The Devil’s Chaplain“) inmitten der
etablierten Meinungsführer. Und nur da kann er eine Wirkung auf die öffentliche
Meinung ausüben. Wer innerhalb jenes Kreises von Andersgläubigen lebt und
sich von der herrschenden Zensur völlig frei gemacht hat, der ist automatisch
auch in dem berühmten „Ghetto“, aus dem heraus keine nennenswerte Wirkung mehr
möglich ist, weil alle Wege nach draußen abgeschnitten sind. Macht man sich
diesen Zusammenhang klar, dann scheint es keine Hoffnung zu geben. Es gibt aber
Hoffnung, weil es die historische Entwicklung gibt. Wie die Evolution bringt
sie Dinge hervor, die sich vorher niemand träumen läßt.
Was aber die übelste Folge der
Abgrenzung ist: Heute schwärmen fast nur noch diejenigen von der überlegenen Intelligenz
der Weißen, die dafür das allerschlechteste Beispiel sind. Denn die wirklich
Intelligenten haben längst begriffen, wie sehr ihnen solche Ansichten schaden. Eine
Dummheit der Rassisten besteht zum Beispiel darin, die (wahrscheinliche)
Herkunft des Menschen aus Afrika zu leugnen, weil sie nicht gern „vom Neger
abstammen“ wollen. Wie bei Dawkins dargetan, sprechen aber alle bisherigen
Knochenfunde für Afrika als die „Wiege der Menschheit“. Alle Menschenrassen
stammen demnach aus der gleichen Horde, die einst in Afrika sozusagen von den
Bäumen herunter kletterte. Einige von ihnen sind dann weitergewandert und haben
sich dabei allmählich von der Urform wegentwickelt. Sie sind bei abnehmender
Sonneneinstrahlung ausgeblichen und nahmen die gelbe oder weiße Hautfarbe an.
Ihre Schädelform veränderte sich und möglicherweise auch ihre Denkungsart.
Warum sollte ein weißer Rassist das leugnen? Weil manche eben nicht bis drei
zählen können.